Deutschlands Kummerbub entdeckt den Optimismus
Von David Bauer | 18. September 2006 | 0 Kommentare
Wäre Deutschland Weltmeister geworden, wäre er wahrscheinlich der einzige gewesen, der sich nicht überschäumend gefreut hätte. Wenn die Sonne aufgeht, blickt er skeptisch dem neuen Tag entgegen. Und an seinem Geburtstag sitzt er wahrscheinlich alleine am Küchentisch und grübelt über traurigen Songs: Maximilian Hecker ist Deutschlands Kummerbub Nummer 1. Am 22. September erscheint sein neues Album.
Nach drei Alben, vorwiegend hochgelobt von den Kritikern, verlässt Hecker das gemachte Nest beim deutschen Label Kitty-Yo und wagt den Sprung über den kleinen Teich – nach England zum renommierten Label V2 (Elbow, Bloc Pary, dEUS, u.v.m.). Es ist der richtige Schritt für einen, der sich in Deutschland als führender Popbarde etabliert hat und der immer schon eine starke Affinität zum Urspungsland des Pop hatte. Auch künstlerisch ist es ein wichtiger Schritt, hatte Hecker sein Image doch leidlich zementiert: als immertrauriger Einzelgänger mit stets in Kopfstimme gesungenen Engelsmelodien. Wunderschön, gewiss. Doch möchte man sich als Zuhörer nicht ständig als Seelsorger fühlen müssen.
„I’ll Be A Virgin, I’ll Be A Mountain“ (V2/TBA) also. Nach den ersten Klängen ist der Seelsorgerinstinkt schon wieder da. Hecker setzt auf Bewährtes: Die Songs sind um seine Stimme herum aufgebaut, die oft nur von Piano oder Gitarre begleitet wird. Tieftraurig. Und doch hört man mit der Zeit eine gewisse Aufbruchsstimmung heraus. Hecker sagt selber, das neue sei sei „offenstes“ Album. Eine Offenheit, die sich auch in musikalischer Vielfalt äussert. Zum ersten Mal bekommt man Heckers Bruststimme zu hören – und fragt sich: wieso erst jetzt?
Das Label V2 gibt sich angriffslustig mit dem neuen Schützling: „Mr. Blunt, Mr. Martin – be afraid!“, posaunen sie heraus. Grosse Töne, die Hecker selber nach wie vor nicht anschlagen würde. Er erobert lieber auf leisen Pfaden die Welt, neuerdings sogar mit etwas Optimismus im Gepäck.
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