78s has left the building. ¯\_(ツ)_/¯

Alles zu ‘Motel’

78s-Motel: Marc Krebs – Genug gejammert!

Schweizer Bands sind merkwürdig. Sie jammen gerne. Und sie jammern gerne. Denn sie hätten gerne: Öffentliche Gelder. Öffentliche Anerkennung. Mehr Auftritte. Mehr Räume, Radioairplay, Medienpräsenz.

Kann man fordern, klar. Nur, was ich mich immer wieder frage: Wie sehr sind sie bereit, sich für ihre Kunst aufzuopfern? Die Frage stelle ich mir in einem Bed & Breakfast in Airdrie. Schottische Provinz. Gestern habe ich in einem Theaterfoyer in Glasgow gespielt. Als Tourschlagzeuger von Andy White. War ein schönes Konzert. Doch Hotel nicht inbegriffen. Essen auch nicht. Die Norm, wenn man nicht Maxïmo Park oder David Gray heisst.

Andy wuchs in Belfast auf, zu einer Zeit, als Bombendrohungen Alltag waren und Fragen nach der Konfession gefährlich. Eindrücke mussten raus – Songs geschrieben, Bühnen bespielt werden. Das ist über 20 Jahre her. Noch immer reist er jedes Jahr vier Monate durch Europa und Nordamerika. Die Zeiten, als er in der BBC- oder DRS-3-Rotation war, sind vorbei. Um sich und seine kleine Familie mit Gagen und CD-Verkäufen über Wasser halten zu können, muss er immer wieder auf Tour. Eine Ochsentour. Verzicht lautet die Devise. Andy hat keinen iPod. Keine acht Paar Turnschuhe. Keinen Proberaum mit Versicherungswert 15’000 Stutz. Und kein Problem damit. Er hat sich für das Leben eines Künstlers entschieden.

Solche Menschen gibt es auch in der Schweiz. Aber sie sind in der Minderheit. Was mir hier nicht alles zu Ohren kommt: Da gewann eine Band CD-Fördergelder, 10 000 Franken, löste sich dann vor dem Release auf, weil die Sängerin ein Auslandjahr einlegen wollte. Oder da war jene Band, die einen Deal mit einer deutschen Major-Firma auf sicher hatte, aber nicht unterschrieb, weil im Vertrag festgeschrieben war, dass das Album mit einer stattlichen Anzahl Konzerte begleitet werden muss. Die Gruppe wollte zwar gerne Musik machen, aber nicht jedes Wochenende unterwegs sein. Also lehnte sie ab.

Dass Bands zweimal wöchentlich proben, irgendwann eine CD aufnehmen, und dann die Welt nicht verstehen, dass niemand darauf gewartet hat, erstaunt mich nicht mehr. In der Schweiz geht es vielen Musikern zu gut. Alles auf diese Karte setzen? Dazu fehlt nicht einfach nur der Markt, sondern auch der Mut, der Wille und die professionelle Einstellung. Vergleiche ich das mit England, so stelle ich fest: Viele Bands hier haben Luxusprobleme. So wünsche ich mir, dass sich all die Schweizer, die auch auf dieser Plattform klagen, sich gelegentlich fragen: «Wie bereit bin ich, mein ganzes Leben meiner Kunst unterzuordnen?»

Marc Krebs ist Kulturredaktor bei der Basler Zeitung und als Musiker in den Formationen Andy White’s Garageband, Gabriel Vetter & Wirtschaft sowie Wilde bühnenreif. Und ja, manchmal jammert er auch.

78s Motel: Wenn Smudo anruft…

Donnerstag Abend, das Fleisch brutzelt in der Pfanne, die Beilagen sind servierbereit, der TV läuft und mein Magen knurrt. „Ring Ring Ring“, verdammt !! Wieso hat sich die Menschheit dazu verschworen, mich immer in diesen Momenten zu stören! „JA!!“ schnautze ich in den Hörer „ehm, hallo hier Smudo von den Fantastischen Vier, ich gratuliere dir, du hast gewonnen!“

5 Wochen früher:
Ich sitze an meinem Arbeitsplatz, schlürfe meinen allmorgendlichen überzuckerten Bio-Alpenkräutertee und lese die Zeitung. „Fanta 4 suchen via Contest den offiziellen Musicclip für ihre neue Single. Preisgeld Euro 44’444.-. „Okay klingt gut, muss ich mitmachen, als alter Fanta 4-Kenner und selbsternannter Videografiker habe ich keine andere Wahl. Daily Business zurück auf den Stapel und los geht’s!!

1 Woche später:
Mein 30 Sek.-Bewerbungs-Spot ist fertig! Nun gut, fertig sieht anders aus, aber hey, ist ja auch nur ein Wettbewerb und ich muss ja als Selbstständiger auch irgendwie Geld verdienen. Also, Schluss damit, das Teil hochladen und zurück zum Alltag. Bald drauf erreicht mich eine Mail. „Herzlichen Glückwunsch, DU bist im Finale“ Wow, cool, aber das heisst für mich nun einen 4-Minuten-Clip in nur 3.5 Wochen zu basteln. Anders ausgedrückt: Keine bezahlten Aufträge in dieser Zeit, keine Wochenenden und kein Sozialleben. Dafür eine kleine Chance, ein gesamtes Jahresgehalt in einem Monat einzufahren. Nun gut, was blieb mir anderes übrig als meinen Plan in die Tat umzusetzen. Kurz bei Freunden und Familie für die nächsten paar Wochen abgemeldet und dann Vollgas ohne Rücksicht auf Verluste.

Ich öffne mein Projekt und motiviert mältriere ich Maus und Tastatur- CRASH – Bildschirm schwarz! Absturz! Okay, kommt schon mal vor. Kiste neu gestartet und wieder verabschiedet sich mein Bild ins Nirvana! Bleibt mir hier zu sagen, dass ich die Kiste erst nach 4 Tagen wieder zum laufen brachte. Der Verlust der Daten und der Nerven inklusive. Danach war ich natürlich noch mehr im Stress als ich zu Beginn kalkuliert hatte, aber zurück konnte ich nicht mehr. Zuviel Zeit war investiert, zuviel Herzblut vergossen worden.

Die folgenden Wochen war ich wie in Hypnose, stets auf mein Ziel fixiert. Kein Tag ohne meinen PC, dafür ohne alles andere was ein vernünftiger Mensch zum Leben braucht. Endlich brach der Tag des Abgabetermins an. Ich war fix und fertig! Anyway, Clip abschicken, Kiste aus und dann schlafen bis zum geht nicht mehr. Am Abend dann zur Freundin was leckeres kochen und einfach nur noch entspannen und Ruhe! Dann klingelt das Telefon.

>>> Sascha Kämpf ist Videografiker und hat mit seinem Beitrag den Fanta4-Videoclip-Wettbewerb gewonnen.

Illustration: Sarah von Blumenthal

78s-Motel: Fifty Foot Mama’s Little Red Rooster

Ich erzähl Euch mal was über meine erste Platte. Ich hatte eine ziemlich fesche Mutter. So eine, die gut zu uns war, weil sie auch gut zu sich selber war. Die hatte zwar diesen typischen 70er Jahre Hausfrauen-Job, machte sich aber jeden Tag voll flott. Sie war die Lady Di von Züri Wollishofen – hilfsbereit und unwiderstehlich stylish. Sie konnte Säcke voller Food heimschleppen in Stöckelschuhen, die höher waren als unsere Legotürme und in Röcken, die kürzer waren als unsere Fransen. An freien Nachmittagen bretterten wir im hellgrünen Ford Taunus in die City. Schon im Auto drehte sie den Sound so auf, dass an den Ampeln die Typen in den Kisten nebenan grinsend die Scheiben runterkurbelten und Dinge in Erwachsenensprache zu ihr sagten, die sie sichtlich glücklich machten. Man traf sich also mit jemandem auf einen Drink, dann donnerte man im Rausch der Dezibel wieder Heim.

In der Dreizimmerwohnung im sechsten Stock ging dann voll die Disko ab. Sie schnallte sich jeweils enge Trainingshosen an, legte Sound auf und tanzte ungefähr so, wie heute die Girls bei diesen Dance-Castings – einfach viel besser. Mein kleiner Bruder und ich fanden es Spitze, sassen auf dem Sofa und gafften. Ihre Lieblingsscheiben waren ein paar alte Stones Seven Inches aus ihrer Jugend. Auf jeder Scheibe hatten ganze vier Songs Platz! Sie schraubte sich zuerst mit den Krachern hoch, zb. «Not fade away», dann geriet sie völlig ausser Kontrolle bei der Schmacht Nummer «Heart of Stone» und kühlte sich dann mit «House of the Rising Sun» von den Animals wieder auf Hausffrauentemperatur ab. Wenn die Show vorbei war, konnten mein Bruder und ich uns endlich dem widmen, was uns am meisten interessierte am Ganzen. Das war dieses autonome Ding im Buffet drin, das Triebwerk der Magie, das Kernkraftwerk der Ekstase unserer Mutter. Dieses Ding mit der Nadel an einem Metallärmchen. Das Metallärmchen hob sich so wie von Geisterhand selber aus der Angel, schob sich zum platten schwarzen Rund hinüber, und liess sich dann mit diesem «Krchkrch» Sound darauf nieder. Das Ärmchen arbeitete sich so in der Rille drin, in der drehenden Scheibe geduldig gegen Innen vor, und mein Bruder und ich versuchten still zu verstehen was da vor sich ging. Wir lernten beide nie recht schwimmen, wir waren Eier in Ballspielen, wir waren die Anti Pfadis unserer Generation und wir waren scheu, aber wir wurden zu den DJs unserer Mutter. Was für ein Job! Eine Platte faszinierte uns ganz besonders. Es war die B-Seite von Heart of Stone. Die Single hatte so einen Buck am Rand. Der machte Action, weil man nie so sicher war, ob die Nadel den Buck schaffen würde, denn sie hüpfte da so gefährlich drüber. Auch klangtechnisch eröffnete der Buck uns neue Welten.

However Jedenfalls handelte es sich um den Song Little Red Rooster, ein alter Blues Klassiker, den die Stones ziemlich okay als B-Seiten Füller von einem schwarzen Kollegen geklaut hatten. Es war meine erste Platte und es ist wohl auch der meistgehörte Song meines Lebens. Ich konnte den Text in und auswendig, bevor ich ein einziges Wort der Englischen Sprache kapierte und das Sleeve-Foto der Single prägte mich nachhaltig. Ich hab noch immer eine Schwäche für Männer mit langen Haaren in engen Jeansjacken. Warum gerade dieser Song? Keinen blassen Schimmer. Er ist popkulturell völlig unbedeutend, mittelmässig gespielt und gesungen, auch klangtechnisch von mässig glanzvoller Ausstrahlung und alles in allem etwas langweilig. Vielleicht ist es der treibende Groove, das Schleppende, leicht Leidende, das etwas Laszive? Will man das so genau wissen, warum man einen Song so liebt? Kann man es überhaupt erklären, wenn man es weiss? However – ich würd mich freuen über Eure Meinungen zu Little Red Rooster. Es gibt übrigens ne tolle Version von Howlin‘ Wolf!
Greets, your Fifty Foot Mama

Illustration: Sarah von Blumenthal

78s-Motel: Trummer singt fürs Folk (uf Bärndütsch)

Manchmal träume ich ja schon, man könnte zurückspulen und sich das mit dem Kapitalismus noch mal überlegen. Und das gerade wegen den schlimmen Auswirkungen, die er auf unsere geliebte Musik hatte.

Musik als Lebensbegleiter der Menschen, Volks-Musik eben, ist ja nicht als Produkt entstanden. Heute haben wir uns gewöhnt an Musik als käufliche Gebrauchsware, der in der Perspektive des Konsumenten etwa ein ähnlich kultureller Wert zugeschrieben wird, wie der gerade zum kollektiven Bewusstsein gehörenden Daily-Soap oder Casting-Serie.

Aber immer noch gibt es Künstler, die mit dem Medium Musik versuchen, dem Menschsein auf den Zahn zu fühlen, ein reales Lebensgefühl zum Klingen zu bringen. Die Vermarktbarkeit der Musik hat uns zwar (nebst Tonnen Schrott, der Vollständigkeit halber sei es erwähnt) viel ganz Grosses und wunderbare Songs beschert, aber wenn es durch den momentan überall beklagten Zerfall dieses Marktes nun wieder möglich wird, ein Minnesänger für sein eigenes kleines Volk zu sein und dort auch gehört zu werden, warum nicht?

Als Künstler bedeutet das dann halt, dass man sich seine Welt wählen muss. Will man ein MP3 werden oder eine Vinyl-Platte mit schönem Umschlag? Auch das scheint mir aber eine begrüssenswerte Entwicklung, denn viel engagierte Arbeit wird verbraten um im vermeintlich zugänglichen grossen Spiel mitzuhalten und verliert dabei vielleicht den potentiellen Wert, den sie im kleineren, aber menschennaheren Feld hätte haben könnte (und ich schliesse da mein eigenes Werk auch nicht immer aus).

All of this being said: Wenn einige von euch sich meine neue CD trotz allem kaufen wollen, freut mich das natürlich ungemein. Sie heisst „Im Schatte vo däm Bärg“, ist meine erste volksnäher-weise berndeutsche und wird hoffentlich den Test bestehen, nicht bloss eine weitere und eigentlich unnütze Geräuschkulisse zu sein. Und wenn ihr fleissig kauft leisten wir uns dann noch die Vinylausgabe, hehe

>>>> Bevor Trummer sich dem akustischen, berndeutschen Wohnzimmerindiefolk verschrieben hatte, machte er sich mit englischsprachigen Folksongs einen Namen.

Illustration: Sarah von Blumenthal

78s-Motel: Annakin verkrampft sich auf dem Sofa

Wieder einmal geht’s nach dem Proben in Schlieren mit blinzelnden Augen hinaus aus dem Übungsraum und mit viel Musik um die Ohren dann aber doch noch mit der Band auf einen Drink in die Hafenkneipe. Einige Zeit und ein starkes Bier später, erinnere ich mich beim Heimschlendern in Richtung 78s-Motel an ein Konzert im el Lokal und denke mir: Was für eine blöde Idee.

Was für eine blöde Idee, dass ich damals fand, es wäre eine super Idee, schon mal auf das rote Sofa auf der Bühne zu sitzen und auf meinen Einsatz, der erst für das vierte Stück geplant war, zu warten, während der Frontmann die ersten Songs solo spielte. Das ganze Backstage-Zappeln, Händewarmreiben und Gesangsübungen schnalzen, geht ja dann dummerweise gar nicht mehr; man kann auch schlecht hüpfen wie ein Weitspringer vor dem Anlauf holen und einatmen als hätte man gerade einen 100 Meter langen Tauchgang hinter sich (oder vor sich, je nachdem) ist auch eher ein no go.

Stattdessen zerreisst es einem langsam auf dem weichen, roten Sofa auf der Bühne unter dem Skelett. Wie doof von mir. Nun sass ich da, alles und alle tiptop und glasklar sehend von hinten unten aus der Froschperspektive, gefangen in einer dummen Idee, adrenalinbesoffen, kieferbeissend und sicherlich aufs Schärfste von allen beobachtet, und es gab, wie so oft, nur die Flucht nach vorne. Deshalb bin ich dann auch nach viel zu vielen und viel zu langen Liedern des Frontmannes irgendwann einfach aufgestanden – wobei das Aufstehen aus einem solchen weichen roten Sofa ja jeweils gar nicht so einfach ist – und habe mich mindestens einen Song zu früh, aber für mein Gehirn mindestens drei Lieder zu spät nach vorne ans Mikrofon gedrängt.

Was für eine Erlösung! Endlich konnte ich mir – die ganze Anspannung kanalisierend – Leonard Cohens Suzanne vom Leib singen. „Suzanne takes you down to her place near the river…“ und ich fühlte mich wieder wohl an dem Ort in der Nähe des Flusses.

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Annakin war die Stimme von Swandive und ist heute solo unterwegs. Ihr Album „Falling Into Place“ ist soeben bei Phonag erschienen. Live: 3.11. Gaskessel, Bern / 16.11. Bad Bonn, Düdingen / 7.12. Kofmehl, Soloturn / 8.12. Mokka, Thun / 14.12. Schüür, Luzern. / 20.12. ETH, Züri.

Illustration: Sarah von Blumenthal

C. Gibbs‘ kafkaeske Erfahrung im 78s Motel

I am sitting alone on my polyester paisley patterned bed cover in room 29 of the 78’s Motel. It is 3:47 am. Suddenly, a hunger has come over me. I scour the hallways for vending machines. The vending machines are nowhere to be found. Ahh, I find one but its only contents are caffeinated gummy bears and sour nonfat milk. The vending machine doubles as a portal to Eau Claire, Wisconsin but it wont accept my change and who wants to go to Eau Claire anyways?

I go back to my solitary four walls. I need sleep but the sound of Fred Astaire tap dancing outside my door to Wilson Phillips on Acid doesn’t help. „Fred, can you please just take a break? Go back to your room and watch T.V. or something?“ I begrudgingly ask him. He turns into a cockroach and multiplies, scurrying under my motel room door and hides in dark places. I turn off the lights. Little Fred Astaire cockroaches crawl in time to a big band version of „Hungry like The Wolf“. Their legs have been replaced by miniature drumsticks and when they crawl among the formica furniture the clatter drills my brain like a street hammer. I feel an itch on my skin and Fred Astaire is biting me on the arm asking for some sour nonfat milk and a gummy bear.

The big band music gets louder in an excrescent wail of banshee lust. The cockroaches have turned into orange and black amphibian banshees. They are making love to themselves. The sonic backdrop is „38 Violins Drowned by Bassoons“ by a new group from Fargo, North Dakota called Lohands Federbine. They are the newest midwest sensation West of the Mississippi and East of the Missouri. The music is coming from the mesh drain in the bathtub. I submerge my left ear to the mesh drain and sweet nothings are whispered in my ear by a husky voiced woman. She sounds like Lou Rawls reincarnate. The record skips and I look for the record player. It is in the bathroom sink. The needle slips over the vinyl like a Southern Californian ice-skater.

Suddenly Lou Rawls and Fred Astaire are knocking on the door outside. They invite me to their room. We have Mojitos and Gummy Bears and play Montana Strip Poker. I win and leave them naked shivering in their Paul Frank designed boxer shorts. Finally, I feel the pull and tug of sleep. My eyelids feel heavy and as I enter my room the bed is my closest friend. Under the covers, I discover twigs and pebbles. The walls turn into trees and I am in a forest in New Zealand. Peter Jackson is singing Karaoke to Matt the Hoople’s „All the Way from Memphis.“ The phone rings. Wakeup call 3:49 a.m.

C. Gibbs Live:

Heute: RecRec Laden, 14 Uhr (Mini Show)
Heute: Helsinki, Zürich
Morgen: Helsinki, Zürich (mit Trio From Hell)

(Illustration: Sarah Von Blumenthal)

78s-Motel: Beda mit Charly beim Caipi

Und ich sitze an der Motel-Bar und strohhalme kalten Caipirinha aus dem schlanken Cocktailglas. Die sauren Limonen kreischen und das Eis, das bricht.

„Man muss den Baum an den Wurzeln packen, am Ende des Tages“ sagt Lokalmeteorit Bligg – und seine klugen Worte schlagen in der gewaltigen Clubrunde ein, wie die goldene Karotte im Prominenten-Dinner. Kollateralschaden total – der Hase liegt im Pfeffer. Wer schlägt verbal den noch grösseren Wurzelbaum? Wer – Votum post Koitum – bliggt mehr durch als unser Mann für die Extremitäten. Doch nicht jeder Bonsai wird einmal zum Landei.

„Und Charly“, sag ich eindringlich zu meinem Gegenüber, „Charly, ich versteh das nicht.“ Der surrende Ventilator zerbricht die heisse Luft. Ich mir den Kopf. „Ja, Charly, ich versteh das nicht.“ Derweil müllert der Mike programmatisch erst einmal als ungewollter Grossvater über den Bildschirm, um dann in eben diesem – alles bleibt ja anders – genial danach daneben zu raten. Zu guter Letzt, tellt er uns jetzt auch noch im Kino voll. Alles Müller oder was?

Im Barlicht schwirren die Mosquitos und über unseren Köpfen lauert dumpf die Schwüle der Nacht. Die trockenen Sümpfe ächzen im Schilf. Alte Kröten quaken träg. Im Dickicht netzt die verdammte Tarantel. Schakale nagen heulend am Gerippe der Gazellen. Grillen zirpen unentwegt. Ein Skorpion, im Dunkeln, hat sich bewegt.

Da bleibt mir nur noch die Zürcher Zuversicht. „The Future is now!“ wird da und dort und ab und in der Zukunft geröhrt. Und die Frage nach der Befindlichkeit der lokalen Partyszene ist schnell beantwortet: Styro bangt im Überall mit dem Goes, frappierend bis in die Unendlichkeit – denn ewig lockt die Weibmannsheiligkeit und kokst generös der Szenenschwarm.

Charly gähnt. Eine Hyäne schreit. Zebras grinsen, wo kein Grinsen hingehört. „Charly, zahlen“ ruf ich dem Barkeeper zu.

>>> Beda Senn ist als Tonangeber, Kulturator und Spielgestalter unterwegs.

(Illustration: Sarah von Blumenthal)

78s Motel: Wie MP3s Patrick Wagners Leben zerstören

Wie MP3s mein Leben zerstören – das ist nicht die übliche Musikindustrieschelte, von wegen Kopieren und kein Geld verdienen und Pleite gehen. Es gibt ja nach wie vor viel zu viele kleine wie grosse beschissene Labels. Nein, es geht mir um die Musik an sich, die wegen dieses behämmerten Kompressionsformates komplett ihren Wert verloren hat.

Irgendwelche Leute erzählen mir tatsächlich mit stolz geschwellter Brust, sie hätten 300 Songs auf ihrem MP3-Player und würden so random mässig Musik hören. Na grossartig, aber was hinter diesen Tracks steht und wie sie überhaupt heissen und was für Künstler das sind, interessiert keinen Menschen mehr. Das ist echt wie in den 50ern – immer nur ne Single und Feierabend. Noch schlimmer ist, wie die Musik klingt: mittig komprimiert, zakzak und dynamisch unerträglich. Inzwischen gibt es schon spezielle Mix- und Mastering- Vorgaben für die MP3-Veröffentlichung und die klingen total beschissen. Plärren einen an wie Klingeltöne und werden im Schnitt auch noch hauptsächlich an miesen Computerlautsprechern gehört.

Also kurz: Wer mal wieder Musik hören will, kommt zu unserem Labelabend in Basel am 27.09. im Schifff mit Naked Lunch, Jeans Team und Navel oder kauft sich Louisville Plattten, die garantiert anders klingen, als der Zeitgeist befiehlt und bei denen es mehr zu entdecken gibt, als eine Single.

>>> Patrick Wagner ist Co-Labelchef von Louisville Records in Berlin. 78s ist Medienpartner der erwähnten Labeltour.

Illustration: Sarah von Blumenthal

78s Motel: 2.14 Sekunden Ruhm für Philippe

European Music- and Medianight, E-Werk, Berlin. Stellt Euch vor: Ich steig ausm Taxi, betrete den roten Teppich und schon geht das Blitzgewitter los. Die Fotografen, Kameramänner und Reporter der internationalen Presse sind in den Startlöchern. Ein raunen geht durch die Menge. Ich aufm Titelblatt der Gala. Geil, nicht?

Nach ca. 2.14 Sekunden rempelt mich ein Neandertaler mit schwarzem Anzug und nem Knopf im Ohr von hinten an. „Kannst de ma Platz machen?“. Da seh ich sie. Die Mangafigur in Fleisch und Blut. La Frisür. Der Mann, der wieder mal nen Börger schletzen sollte. Bill von Tokyo Hotel umzingelt von 5 Security Männern lächelt sympathisch und leicht unsicher in die Kameras. Na gut, denke ich mir und gehe weiter an die Bar. Auf der Bühne werden The Cinematics gerade von ner dunkelhäutigen Schönheit angesagt.“…the band told me to tell you, that they are the best band in the world…“. Jaja, und meine Mami ist Uschi Glas. Gott!

Mit nem Bier in der Hand quetsche ich mich wieder nach draussen. Unsere Agentin wartet schon und stellt uns diversen wahnsinnig hektischen Personen vor. Alle liegen sich in den Armen. Die ganze Industrie ist innig befreundet, gutaussehend und arbeitet perfekt zusammen. Man feiert sich ab und klopft sich gegenseitig auf die Schultern. Die Branche boomt!!! Da gibt’s Grund zum feiern…

Vielleicht liegt es an den Drogen, dass jedes Gespräch nicht länger als 78 Sekunden dauert aber fröhlich ist es allemal. Ich auf jeden Fall werde immer langsamer. Die Gratisgetränke zeigen ihre Wirkung. Malte zwinkert zu mir rüber und schreit überlaut: „Ich geh mal Sarah Connor klar machen“. „Find ich gut“, brülle ich zurück. „Bring mir doch auch gleich eine mit“. 30 Sekunden später steht er mit zwei Flaschen Bier da. Das nenn ich mal Kommunikation.

>>> Wenn Philippe Laffer nicht grad aufm roten Teppich in Berlin Sarah Connor klar macht leitet er das Alterna Recording Studios in Basel und musiziert bei Zhivago.

Illustration: Sarah von Blumenthal

78s Motel: Kochen mit Urban Jr. (Dinner for two)

VORSPEISE: Spargelsalat mit Feta und Avocado

Zutaten: 100 Gramm Grüne Spargeln, 50 Gramm Fetakäse, 1 Avocado, 1 Spinatsalat

Dressing: Olivenöl, wenig Aceto, Zitronensaft, Honig, Salz und Pfeffer

Spargeln in kochendem Wasser blanchieren. Avocado in Streifen und Fetakäse in kleine Stücke schneiden. Mit etwas Spinatsalat auf zwei Tellern anrichten. Erst kurz vor dem Servieren das Dressing darübergeben.

HAUPTGANG: Hühnchen mit Kokoshonigkruste

Zutaten: 2 Stück Hühnchenbrust, flüssigen Honig, Kokosflocken, 100 Gramm Basmatireis, 200 ml Sahne, Mandelscheiben

Hühnchen würzen und anbraten. Aus der Pfanne nehmen. Zuerst in Honig und dann in Kokosflocken wenden. In eine kleine Auflaufform legen und Sahne dazugeben (als Sauce). Für 15 Minuten in den auf 100° vorgeheizten Ofen stellen. Basmatireis zubereiten. Mit Hühnchen und Sauce zusammen auf zwei Tellern anrichten. Zum Schluss Mandelscheiben über den Reis streuen (schmeckt auch hervorragend mit Früchten).

DESSERT: Pandoro Auflauf

Zutaten: 1 Pandoro (Panettone ohne kandierte Früchte), 1 Ei, 200 ml Sahne, 100 ml Milch, Puderzucker, Vanilleeis

Ei, Sahne und Milch mischen. Pandoro in kleine Scheiben schneiden und in eine kleine Auflaufform legen. Sauce darüber und 15 Min. einziehen lassen. Puderzucker darüberstreuen und 20 Min. in den auf 200° vorgeheizten Backofen stellen. Mit Vanilleeis anrichten.

Rezepte aus Urban Jr’s Kochbuch „Urban Cooking“, erhältlich bei Fistfuckerrecords oder an einem Urban Jr Konzert

Illustration: Sarah von Blumenthal