78s has left the building. ¯\_(ツ)_/¯

Alle 33 Artikel von Urs Arnold

15 Jahre Stereokultur

Dem Overkill zum Trotz: Radiohead muss nochmals erwähnt werden, und zwar im Zusammenhang mit einem Jubiläum. 15 Jahre gibt es jetzt schon die bekannteste Scheune der Schweiz, die Schüür in Luzern. Keine drei Jahre war sie alt, als die Oxforder Truppe Songs ihres Debüts „Pablo Honey“ und von „The Bends“ unter dem Holzdach präsentierten. Noch heute lässt einem der Gedanke an die nun im megalomanischen Masse berühmte Band den Hintern nervös auf den Backstage-Stühlen herumrutschen.

buttonschuur.jpgUnd Radiohead ist nur die Spitze des Eisberges. Ben Harper, Faithless, Shaggy und die H-Blockx sind Acts, die heute weitaus grössere Clubs, wenn nicht Arenen füllen. Um die Liste noch ein bisschen zu erweitern, hat das Kulturhaus Hot Hot Heat für den 26. November gebucht, ebenfalls eine Band mit Wucherungspotenzial sowie die H-Blockx am 29. November. Diesen Freitag wird der Nidwaldner Countryjunge Coal, längst kein unbeschriebenes Blatt mehr, den harten Innerschweizer Kerlen das Herz schmelzen lassen.

Wer sich öffentlich als Schüür-Freund outen will, kann wunderbare Buttons kaufen. Zwar sind die Sets schon ziemlich cool, doch die „ztüür“ Fasnachtsplakette sei jedem empfohlen, der sich vor Jahren über die überhöhten Bierpreise aufregte. Die hätten selbst Radiohead die H-Blockx zur Weisglut gebracht.

Love has torn him apart

„Ich gab der Musik alles, und jetzt soll ich noch mehr geben?“

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Diesen Satz schrieb Joy Division Frontmann Ian Curtis kurz vor seinem Suizid in sein Notizbuch. Er wiederspiegelt, wie zerrissen und aufgelöst sich Curtis in den letzten Tagen seines Lebens fühlte. Sein Verhältnis zur Musik war traumatisiert, dazu kamen die Unfähigkeit, sich zwischen Familie und Affäre zu entscheiden.

Der Starfotograf Anton Corbijn hat sich in seinem Spielfilmdebüt „Control“ der Biographie von Ian Curtis und Joy Division angenommen (wir berichteten bereits hier darüber). Ihm war der Stoff so wichtig, dass er die Hälfte des 4,5 Millionen Euro Budgets selbst finanzierte. Gedreht wurde an Originalschauplätzen in Macclesfield nahe Manchester, wo Curtis lebte.

Nun war der Film anlässlich des Cologne Conference Film- und Fernsehfestivals in Köln zu sehen. Und der Streifen erfüllt die hochgesteckten Erwartungen. Corbijn ist es in atmosphärisch dichten Bildkompositionen gelungen, bedachtsam die Geschichte von Curtis zu erzählen. Die des milchgesichtigen Glamboys, der sich zur ersten Postpunk-Ikone wandelt, die er zu Lebzeiten aber nie war. Ian Curtis erhängte sich am Tag vor der Abreise zur ersten US-Tournee, die höchstwahrscheinlich der Band zum Durchbruch verholfen hätte.

„Control“ wird in einer Woche in England anlaufen. Für die Schweizer Fans sieht es leider düster aus: Der Film hat noch keinen Verleiher gefunden. Gut möglich, dass wir dieses Meisterwerk erst auf DVD bestaunen können.

Annas Best

annaternheim1.jpgSinger-Songwriterum auf Schwedisch heisst Aström, Kjellvander und aktuell vor allem Gonzalez. Alles gestandene Männer, die Noten statt Tränen vergiessen. Hier aber steht nun Ternheim auf dem Ticket und Anna so selbstbewusst auf der Bühne, dass das Publikum vor Ehrfurcht erst einmal schweigt. Bis irgendwoher aus der Prärie des Kölner Stadtgartens ein einsames „Yeah“ zu hören ist. Grund: Anna spielt „China Girl„. Man kennt und schätzt es, ist ja schliesslich David Bowie und Iggy Pop. Kaum hat das Konzert also angefangen gibt es das erste Highlight, neben der Tatsache, dass man Ohrstöpsel auch mal vergebens mitnehmen durfte.

Schöner Start und weiter geht’s, flott im Zickzackkurs durch das Schaffen der Dame, die von sich sagt, dass Musik ihre Therapie ist. Nachvollziehbar daran, dass sie beim Anpreisen der Songs immer wieder auf gescheiterte zwischenmenschliche Beziehungen verweisen muss. „She went through a lot of shit“ würde es der amerikanische Volkesmund wohl treffend beschreiben. Doch Gottseidank lebt die Frau nicht im Keller und zeigt den feinen Humor, den man ihr – beschämenderweise – gar nicht attestieren mochte.

So geniesst man sich durch das Set, hört einige Stücke ihrer im Mai erschienen EP und die, die Ternheim und die Zuhörer schon vor dem Konzert zu Verbündeten werden liess. „Shorelines“ (ebenfalls ein Cover) ist etwa so eine Hymne: Reduziert und atmosphärisch, definitiv das, was man sich auch bei der eigenen Beerdigung als „letzten Song“ wünschen könnte.

Dank Midi-Einsatz gibt es bei anderen Liedern teils überraschend flotten Takt, der durchaus ein Wippen provoziert. Mehr wird an so einem vermeintlich ernsten Abend seitens der Zuhörer dann aber doch nicht zugestanden. Nur beim Klatschen will jeder lauter sein als der andere. Aber das geht anhand des Gebotenen vollends in Ordnung.