78s has left the building. ¯\_(ツ)_/¯

Alle 70 Artikel von Sven Zaugg

Raw and unpolished

Energetik pur!War die dritte Scheibe „Rubber Factory“ von The Black Keys noch vergleichbar mit Ben Weaver unter Starkstrom, so haben sich die zwei Jungs aus Akron (Somewhere in the f… USA) auf ihrem vierten Longplayer „Magic Potion“ (V2/TBA) gänzlich dem entschlackten Rock’n‘ Roll verschrieben. Weniger bluesig und mit einer ungemein ansteckenden Energetik malträtieren die zwei College Dropouts ihre Secondhand-Maschinen bis der Schweiss perlt. Ab dem 8. September hier erhältlich. Raw and unpolished!

Der schönste Diamant auf Erden

The Brightest MouthHabt ihr euch auch schon gefragt, wer das Erbe der Überfee Tori Amos antritt? Wer die erdigen Bässe und Jauchzer einer PJ Harvey perfektioniert? Und wer um des Himmels Willen die herrlichen Leidgesänge einer Beth Gibbons aus der Versenkung an die Frischluft katapultiert?

Hier ist die Antwort: My Brightest Diamond aka Shara Worden. Das am 22. August erschienene Werk „Bring Me The Workhorse“ (Astmatic Kitty Records/Irascible) ist eine fantastische Geschichte á la Scott Walker (The Drift), eine Barock-Oper á la Henry Purcell.

Shara Wordens Songwriting bringt die hohe Kunst der Oper mit der Einfachheit des Folks in Einklang. Sublim und pragmatisch. Ihre Musik platziert sich in einer transzendenten Welt, in welcher fabelhafte Kreaturen mit ihren Alltagssorgen ringen und hinter jedem Türchen Carroll’s Alice mit einem Glässchen ewigen Lebens döst. My Brightest Diamond began to see her own Music as the most precious gift she could give to the world. Der schönste Diamant auf Erden. Widersprechen zwecklos!

Killer-Cover! Und sonst…

Leck mich, Schätzchen!…nicht viel mehr. Kill The Young sind drei Burschen aus Manchester mit irischen Wurzeln. Ihr Ende 2005 in Frankreich erschienenes und nun in der Schweiz angekommenes Debüt „Kill The Young“ (Discograph/RecRec) ist triviale Tanzmusik. Was daran stört, sind die erzwungen-sozialkritischen Texte und die einfallslosen Basslinien. Schade! Hätten wir doch alle dem Trash Palace Frontmann und Produzenten eben dieser Jugendtruppe Dimitri Tikovoi (Placebo, Goldfrapp, John Cale, Alpinestars) etliches mehr zugetraut als das vorliegende Scheibchen. Kill The Young tänzeln am 28. September im Abart.

Heimkehren mit Estrella Morente

Estrella MorenteLand: Spanien. Ort: Granada. Frisur: wunderbar gewelltes Haar. Estrella Morente versüsst mit ihrem neusten Werk „Mujeres“ (Virgin) den traditionellen Flamenco ihres Vaters und Maestros Enrique Morente. Auf ihrem Erstling „Mi Cante y un Poema“ noch ein bisschen verhalten mit Neuinterpretationen älterer Flamenco Stücke beschäftigt, covert die nun 26-jährige auf „Mujeres“ das nicht gänzlich unbekannte „Ne Me Quitte pas“ (Nina Simone / Jacques Brel) sowie das feine „La Noche De Mi Amor“ der charmanten Chavela Vargas und „Ay Mari Cruz“ von der 2003 verstorbenen Sängerin und Filmschauspielerin Imperio Argentina. Doch nicht nur Coverversionen fanden platz auf diesem Must-Have-Bijou, so entspringt etwa das sinnliche „La Joya“ oder das impulsive „Yerma“ aus Morentes Feder. Frech und kokett implementiert die feurige Spanierin Jazz und Blues in ihren Flamenco, haucht dazu „Ne Me Quitte Pas“ und zelebriert die Rückkehr zu sich selbst. Dies muss wohl auch Pedro Amodóvar Tränen in die Augen getrieben haben und so engagierte er das Wunderkind aus Granada für seine Hommage an starke Frauen „Volver“ (heimkehren) für den gleichnamigen Gesangspart. Mit Estrella Morente schafft der Flamenco den Sprung ins neue Jahrtausend. Olé!

Klangwelten

Meister der KlangweltenDiskret und ruhig soll er sein. Ein Multiinstrumentalist, der es begreift Klassik, New Age, Rock und französisches Varieté zu fusionieren. Von sich selbst sagt er: „Je suis un compositeur de chanson sans parole“. René Aubry braucht keine Parole, um Geschichten zu erzählen. Seine feinen Arpeggios sind dramaturgische Mittel genug, um einzutauchen, um abzutauchen in Miniaturen klassischer Melodien. Die moderne Instrumentalisierung schlägt dabei die Brücke von der klassischen Musik zur Populärmusik.

2004 verblüffte René Aubry seine Fangemeinschaft. Nach den instrumental Alben „Plaisirs D’amour“ und „Invités Sur La Terre“ experimentierte Aubry auf „Seuls Au Monde“ mit düsteren Samples und absonderlich anmutenden Disharmonien. Ein verstörendes Werk. „Et c’est alors qu’on le croit installé dans ce systeme que cet artiste imprévisible, épris de liberté, revient nous étonner avec Seuls au Monde disque sombre et électrique marqué par le 11 september 2001, où il renoue avec la programmation et le bidouillage pour nous faire partager sa vision alarmiste mais lucide de notre univers“, schreibt Aubrys Label Hopimesa über „Seuls Au Monde“. Nicht die Suggestion ist Aubrys Programm, sondern die langsame und zarte Öffnung unserer Sinne. René Aubry macht nicht Musik, er erforscht sie und stösst dabei in Klangwelten vor, wo noch nie ein Mensch zuvor gewesen ist. Sein neuster Wurf „Memoires Du Futur“ (Hopimesa) ist seit dem 10. April im Handel und hier dürft ihr mit René Aubry forschen.

Shut up I am dreaming!

Sunset RubdownSunset Rubdowns Zweitling „Shut Up I Am Dreaming“ (Absolutely Kosher) ist ein wunderbar elegisch angepinseltes Werk von Mister Wolf Parade Spencer Krug; eigenständig, diversifiziert und voller Träumereien. Man wähnt sich in einem absurden Theater, wo Clowns fratzen-reissend wunderschöne Balladen winseln, selbstverliebte Elefanten Ballett tanzen, Einräder wie von Geisterhand ihre Ründchen drehen und Gitarren mit Pianos kopulieren. Es nuschelt, feiert und veräppelt. Also Leude, Mund halten und träumen!

Beirut lebt!

Ready for TapesDie vom Bürgerkrieg zerrüttete und nun von Israel zerbombte Stadt Beirut, war einst auf dem Weg, sich als das Kulturzentrum im Nahen Osten zu entwickeln. Nun wurde die Stadt um Jahrzehnte zurückgeworfen. Trotzdem geben die Bewohner Beiruts nicht klein bei. Musikethnologe Thomas Burkhalter schreibt unter dem Titel „Danke, dass ich den Krieg nochmals erleben darf“ auf norient.com wie libanesische Künstler auf die Rückkehr des Krieges reagieren. Burkhalter verweist in seinem Artikel auf den libanesischen Trompeter und Karikaturisten Mazen Kerbaj, der sich auf seinem Blog zur gegenwärtigen Lage in Beirut äussert und sein Artwork im Stundentakt veröffentlicht.

Dass sich zu den Kriegswirren auch akustische Signale beimischen, ist für Raed Yassin und eben diesen Mazen Kerbaj die Basis für eine sehr eigenwillige Komposition, in der Fragmente aus politischen Reden, Werbespots, Radio-Jingles und Fernsehmelodien zu Soundcollagen verknüpfen werden. Ein eindrückliches Stück Musik, das die Unwirklichkeit des Krieges auf unheimliche Art wiedergibt.

Scott Walker

Scott WalkerScott Walker ist ein Phänomen. Der 1944 geborene US-Amerikaner kreiert Musik, die sich einer Definition gänzlich verwehrt. Es sind Fragmente, die an desorientierte Antihelden eines Film Noirs erinnern oder an imaginär-wohltuende Peitschenhiebe auf den Hintern. Von Vaudeville über Chanson bis hin zu Popballaden transformiert Walker deren Partituren in endzeitliche Schwingungen mit bittersüssem Abgang. Sein jüngstes Werk „The Drift“ (erschienen auf 4D) ist melancholisch verschroben und wunderbar kaputt. Taste it!

DRS3 on Air!

TrickyWer diesen Freitagabend noch keinen konkreten Plan hat, oder sich von seinem dezimierten Freundeskreis verlassen fühlt, dem sei abgeholfen. Die Kollegen von DRS3 präsentieren in ihrer Konzertsommer-Serie Leckerbissen für Stubenhocker. Zu hören sind die Orishas mit ihrem letztjährigen Auftritt am Heitere Openair, der britische Trip-Hopper Tricky mit einem Live-Gig aus Leeds und Faithless. Ab 20.00 Uhr heisste es; Däumchen drehen und Musik hören – beides geht!

Nicht zu vergessen: Die letzten Worte von Johnny Cash – ebenfalls auf DRS3.

Tschingelwhat?!

Lick it, baby!Tschingelhell nennt sich dieses kleine aber feine Indie-Openair am Fusse der Berner Alpen (Tschingelmad). Und es lohnt sich wahrlich, die abenteuerliche Reise ins Oberhasli unter die Treter zu nehmen, denn allem Berner Gequäke zum Trotz präsentiert sich das Lineup keineswegs knauserig. So werden die Mannen von Highfish, Solitune, Tight Finks, Robbie’s Millions, Dizzy By Fortune, u.a dieses Wochenende in einer ungemein romantischen Ambiance aufspielen. Also ab ins Oberland!