78s has left the building. ¯\_(ツ)_/¯

Alle 70 Artikel von Sven Zaugg

Kanadischer Apostel in Kuba

Dieser Mann zupft und schrammelt an jeder Saite, die ihm in die Finger kommt. Die Rede ist von Andrew Whiteman, Gitarrist und Tres-Spieler bei Broken Social Scene. Mit seinem Side-Project Apostle of Hustle veröffentlicht er nun den zweiten Longplayer „National Anthem of Nowhere“ (City Slang/TBA).

Der kühle, kanadische Intellekt trifft auf das erhitzte, kubanische Gemüt – Indie meets Worldmusic, auf ganz eigentümliche Art. Whiteman macht vielleicht die Zeit bis zum nächsten Broken Social Scene Album erträglicher, aber mit Bestimmtheit nicht kürzer.

Sublime feel good Musik

Ben Westbeech wurde die Ehre zu Teil, sein Debüt auf Gilles Pertersons Label Brownswood Recordungs zu veröffentlichen. Mit „Welcome to the Best Years of Your Life“ legt der 25-jährige Brite ein Stück „sublime feel good“ Musik vor. Und wahrlich; seine Mixtur aus Jazz, Soul und Hip-Hop entstaubt ein jedes vom Winter träge gewordenes Gemüt. Roni Size, der seine nervösen Fingerchen übers Mischpult hetzte, entzückt mit frechen Breakbeats und sensiblen Arrangements. Westbeech bringt den noch jungen Frühling so richtig in Wallung.

Der Avantgarde ein Schnippchen geschlagen

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Eine Avantgarde, die sich wiederholt, untergräbt sich selbst. So ist sie, trifft dieser Fall zu, nicht mehr radikal und progressiv. Geht man davon aus, dass CocoRosie der Pop-Avantgarde angehören, so bewegen sie sich auf einem schmalen Grat zwischen der Repetition ihrer verstörend anmutenden Klangwelt und gemeiner Popmusik. Die Erwartungen an ihren jüngsten Longplayer „The Adventures of Ghosthorse & Stillborn“ waren deshalb immens, ein Scheitern schien vorprogrammiert.

Gescheitert sind sie nicht. Sie haben der Avantgarde ein Schnippchen geschlagen. Was als kuriose Instrumentierung traditioneller Songmuster mit Popkornmaschinen, Würfeln, Tontöpfen, et cetera begann, etabliert sich nun als ein eigenständiges Fach Musik, das sich mit Noah’s Ark (2005) schon andeutete. Eine Bezeichnung schenken wir uns an dieser Stelle, denn es gibt sie nicht. CocoRosies Musik fusst nun auf ihrem eigenen Universum, auf ihrem eigenen Mythos. Diese Weiterentwicklung verdient grosses Lob und evoziert zugleich die Hoffnung, dass eine jede Musik dieses Potential in sich tragen sollte. Sich neu erfinden, ist ein guter Weg zur Besserung. Die eigene Musik als Stil zu etablieren, ist eine Gabe.

Ein Grundstein dafür legte Björk-Produzent Valgier Sigurdsson. Er extrahierte die letzten weltlichen Töne aus CocoRosies Universum, ordnete die wirren Gedanken der Cassady Schwestern und setzte ähnlich den björkschen Arrangements (Homogenic), hämmernde und wummernde Basslinien ein. Reduzierte das Knacken und Krächzen dubioser Instrumentierung, schob dafür die himmlische Stimme Sierras noch näher an die Oper und verlieh Biancas gequälter Kinderstimme eine wohltuend aggressive Note. „So selbstverständlich wie auf ihrem dritten Album gingen HipHop, Oper und ihre typische Kinderzimmer-Elektronik noch nicht zusammen“, schreibt ein Journalist und hat recht.

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Dufter Frühling mit Bebel

solo300.jpgElegante Kosmopoliten tingeln nicht nur kreuz und quer über den Globus, sie bewegen sich auch wohlweisslich in illustren Kreisen. Bebel Gilberto vagabundiert ständig zwischen ihrer Heimat Brasilien, ihrem Wohnsitz New York und dem Studio in London; bezirzt mit Stimme und Herkunft exzellente Produzenten, die erspriessliche Zusammenarbeit leisten. Dies erscheint insofern von Wichtigkeit, weil das bebelsche Universum von exklusiven Arrangements lebt.

Die Tochter von João Gilberto versüsst uns die ersten Frühlingstage mit ihrer dritten LP „Momento“ (V2/TBA). Bebel entführt uns in eine fabelhafte Welt des entrückten Bossa Jazz, untermalt von dumpfen House Beats und erdiger Weltenmusik. Der englische Soundtüftler Guy Sigsworth und Brazilian Girls-Mastermind Didi Gutman implementierten dabei äusserst feinfühlig elektronische Elemente in das zarte Gitarrenzupfen. Bebel bleibt ihrem vererbten Duktus treu, ist aber keineswegs konformistisch. Sie lässt die Klänge vor sich hinplätschern, greift nur dort ein wo unbedingt nötig. Mit ihrer samtenen Stimme büschelt sie das Arrangement bis zur perfekten Intonation. Und die ist, ob englisch oder portugiesisch, von ätherischer Schönheit. Bebel und der Frühling – eine erquickende Liaison.

Musik zum Büchsen schmeissen

Das Album „Songs For The Young At Heart“ (City Slang/TBA) ist eine von den Tindersticks initiierte Versammlung etwelcher Kinderlieder, die tonal 1:1 reanimiert sind. Ist es damit schon getan? Leider ja! Sicher sind Jarvis Cocker als Märchenonkel, Kurt Wagner als gurgelnder Bass und Bonnie „Prince“ Billy als kleines Hörspielwunder eine exklusive Mixtur, doch hier ist Langeweile das Echo einer uninspirierten Kinder-Compilation. Das findet auch Ronja – eine Expertin auf dem Gebiet der Kindermusik:

PfuiHey Ronja, was hörst du am liebsten?
Häviii Mätäl mag ich, weil es uuh lässig ist. Hören wir uns den Felix an.

Schweisstropfen bilden sich auf meiner Stirn – oh Gott sie mag harte Gitarrenmusik und ich warte mit Xylophon und Flöten auf.

Später! Wie findest du den ersten Song – mit dem Xylophon?
Langweilig. Aber die Flöten sind eigentlich ganz schön.

Ronja tippt mir auf die Schulter und chüschelet: „Ich will jetzt nicht mehr als Frau Doktor zur Fasnacht, sondern als Prinzessin“. (siehe Bild)

Schön. Singen Männer besser als Frauen?
Nein, sicher nicht! Ich finde, Frauen und Kinder singen am allerschönsten.

Geschafft! Sie ist nicht mehr auf der Häviii Mätäl-Schiene.

Also, Kurt Wagner mit „Inch Worm“ – eine fantastische Stimme und der Kinderchor vorzü…
…ach Sven, das ist mir viel zu langsam – du solltest doch wissen, dass ich schnelle Sachen viel lieber mag. Laaaangweilig!

Also gut, du findest „Songs For The Young At Heart“ ein misslungenes Stück Musik. Könntest du dir vorstellen, ohne Musik zu leben?
Sicher scho. Musik muss nicht immer sein – soll ich mal ein Monster machen?

Klar, wenn du magst.

Nur das mit Äderchen durchzogene Weiss ihrer Augäpfel und das fletschen der kleinen Monsterkinderzähne sind zu sehen.

Uiuiuiui…
Weisst du Sven, zu dieser Musik würde ich am liebsten Büchsen schmeissen.

Sie lacht ein dunkles Kinderlachen und boxt mir in den Magen.

Lennon, Clapton, Richards, Mitchell…

Jagger und ein paar Nudeln. (via)

„Yer Blues“

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Wenn Medien irren

Ein laues LüftchenZuerst vermeldete ein Mann der wie Huhn tönt aber mit K beginnt im Wochenblatt mit den blauen Lettern Folgendes: „In neun von zehn Fällen enden Europatourneen von Schweizer Bands damit, dass der Motor nicht anspringt“. Bei Puts Marie aber sei alles anders. Dann doppelte eine Sonntagszeitung, die nicht die Sonntagszeitung ist, nach: „Wenn das nicht die Zukunft der Schweizer Musik ist, dann gibt es keine“. Stopp-Halt-Aus. Puts Marie sind keinen Pfifferling wert: Hier spielt die „wahre“ CH-Musik.

Explosions In The Sky

Postrock: „Der Präfix ‚Post‘ soll eine Art Zwitterstellung andeuten, in der sich Postrock befindet, einerseits gehört diese Musik in den Bereich der Rockmusik, andererseits versucht sie, diese in ihrer herkömmlichen Form zu überwinden“. Eine gängige Definition des vorliegenden Materials, doch Explosions In The Sky sind weit mehr. Mit „All Of A Sudden I Miss Everyone“ (Bella Union/TBA) erweitern sie des Hörers Kappilare, forcieren die Endorphinauschüttung und lassen die Glieder zucken, bis das flat line bedrohlich nahe kommt. Vorzüglich.

Hazlewood kein Cash

Die WOZ will herausgefunden haben, warum sich „desorientierte Popfans“ am liebsten in die Wiege altersweiser Künstler legen. Warum sich „kernige Linkssentimentale“ wie Wiglaf Droste und Franz Dobler von ebensolchen Musikern zu Tränen rühren und warum der Hazlewood kein Cash ist. Pointiert, scharfzüngig – ein Hochgenuss und Konterprogramm zu kahlköpfigen Pop-Ludern. Zum Artikel.

Heute schon arschgewackelt?!

Guten Morgen Ihr da draussen. Raus aus den Federn und los geht’s!

[flash]http://www.youtube.com/watch?v=DmzmEQkUpm4[/flash]