78s has left the building. ¯\_(ツ)_/¯

Alle 1294 Artikel von Ralph Hofbauer

MP3 to go (fuzzy)

Plants And Animals stützen die Thesen, die hier aufgestellt wurden. Das fängt beim naturverbundenen Namen an und hört bei der Fuzz-Gitarre von „Feedback In The Field“ auf. Obwohl dieser Song auch ein wenig an die ollen Dire Straits und Mark Knopflers Sologenudel erinnert, in einem positiven Sinn, auch wenn das schwer vorstellbar ist. Dass Plants And Animals aus Montreal kommen mag skeptisch stimmen, so viele gute Bands kann es in einer Stadt ja gar nicht geben. Vielleicht eben doch. Sie sind nicht die nächsten Arcade Fire, aber sie sind tight.

Plants And Animals – „Feedback In The Field“

[audio:http://www.bleatingheartshows.com/songs/Plants_and_Animals_Feedback_in_the_Field.mp3]

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Andrew Bird, ein seltsamer Vogel

Du spielst sehr viele Instrumente, dein erstes war die Geige. Ist sie dein Lieblingsinstrument?
Ich spiele Geige seit ich vier bin. Sie ist für mich etwas Selbstverständliches, wie ein Teil meines Körpers. Geige zu spielen ist für mich so direkt wie Singen oder Pfeiffen. Es gibt für mich auf der Geige nicht mehr viel zu entdecken, ich nehme sie nicht aus Freude am Spielen hervor. Weil sie in meinem Leben immer so präsent war, behandle ich sie heute etwas stiefmütterlich.

Wie siehst du deine Evolution rückblickend?
Bei meinen ersten drei Platten habe ich mich noch stark an meinen musikalischen Vorbildern orientiert. Ich denke vielen Musikern geht es so. Du hörst ein Stück und denkst: solche Musik will ich machen. Mit 26 kam ich an einen Punkt, wo ich mehr wollte. Mit meiner vierten Platte habe ich dann zu meiner eigenen Musik gefunden.

Deine Musik wirkt gleichzeitig komplex und simpel. Wie schaffst du das?
Ich mag einfache Melodien, aber ich bevorzuge Rhythmen, die nicht Rock’n’Roll sind, afrikanische Polyrhythmen beispielsweise. Die Form von Pop ist sehr offen, das kommt mir entgegen. Einen guten Popsong zu schreiben ist für mich eine ewige Herausforderung. Es gibt keine Formel dafür. Jeden Tag wache ich auf und denke ich könnte heute einen guten Song schreiben, aber es gelingt mir nur selten. Es hängt alles von den Launen der Aussen- und der Innenwelt ab. Wenn die Umstände stimmen, fliegt mir eine Melodie zu, über der Worte schweben, die sich dann zwischen die Töne setzen.

Deine Songs haben etwas wissenschaftliches an sich. Bist du ein Pop-Wissenschaftler?
Ja, ich mache eine Art Pop-Wissenschaft. Ich bin kein „confessional songwriter“. Ich suche mir Themen und erforsche sie, indem ich Fakten zusammentrage. Ich interessiere mich für Geschichte und Psychologie. Wie verhalten sich Leute in einer Gruppe? Was motiviert ihr Handeln? Es geht mir dabei eher um Fragen, als um Antworten. Ich mag ambivalente Texte, da ich ihnen bei jedem Auftritt eine neue Bedeutung geben kann.

Lebst du für die Bühne?
Ich fühle mich nur auf der Bühne wohl. Den ganzen Tag versuche ich mich zu schützen, bis ich auf die Bühne gehe, wo ich lebendig werde. Ich komme in ein Fieber und vergesse mich. Es ist jedes Mal anders und es wird nie langweilig.

Andrew Bird ’s gestriger Auftritt in der Roten Fabrik war so virtuos, dass ich auf dem WC jemanden sagen hörte: „Der ist fast zu gut. Der dürfte eigentlich gar nicht auftreten.“

MP3 to go (mit Klimax)

Zwischen den sanften Gitarrenakkorden, dem lieblichen Glockenspiel und dem wunderlichen Xylophon baut sich eine latente Spannung auf, sobald die androgyne Stimme einsetzt. Sie ist zuerst unangenehm geschlechtslos und kratzig, doch spätestens als sie „accept“ singt, hast du akzeptiert, dass sie sich ebensowenig stoppen lässt, wie der Sturm, der in diesem Song aufzieht. Die Wellen türmen sich schiffhoch, der Kutter schwankt, der Gitarre stockt der Atem. Doch das Gewitter zieht vorüber, der Himmel klart auf, die Stimme ist plötzlich schön und die Orgel schimmert in der Abendsonne.

Okay„Truce“

[audio:http://gramotunes.com/Truce.mp3]

(via)

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Xmas Song Xchange mit Santa Sufjan

sufjan.jpgSufjan „Santa“ Stevens hat ja bekanntlich einen Weihnachts- Fetisch. In den letzten Jahren hat er sich jeweils zur Adventszeit ins Studio begeben, um EPs mit Weihnachtssongs einzuspielen. Versammelt in einem 5-CD-Boxset gaben diese letztes Jahr ein formidables Weihnachtsgeschenk ab, das mir leider niemand geschenkt hat (*zaunpfahlwink* Es ist ja bald wieder so weit…). Dieses Jahr hat sich Sufjan mit dem Sufjan Song Xmas Xchange ein noch exklusiveres Weihnachtsgeschenk einfallen lassen: Wer das beste Weihnachtslied schreibt, aufnimmt und einschickt, gewinnt einen persönlichen Weihnachtssong von Sufjan.


Zahl so viel du willst (diesmal erst nach dem Hören)

Das Hamburger Label 2nd rec trägt mit einer mutigen Aktion zur Diskussion um den Wert von Musik im Tauschbörsenzeitalter bei: 9 CDs stehen zur Auswahl, den Preis bestimmt der Kunde, nachdem er die CD gehört hat. Das zeugt von Vertrauen und nach erfreuten Mails und grossem Ansturm ist man bei 2nd rec zuversichtlich, dass das Experiment aufgeht. Kein Wunder bei dem Angebot, das für jeden was zu bieten haben sollte, der weiss, was ein Independent Label ist (u.a. Giardini di Miro, Nitrada, Amanda Rodgers).

>>> probehören/bestellen

(via)

Traurige Lieder, die glücklich machen

Dass Vic Chesnutt einen zweiten Frühling erlebt, war ihm schon vor seinem Konzert in der Roten Fabrik anzumerken. Das vom langjährigen Ziegel-Koch und Chesnutt-Fan offerierte Vermicelle-Dessert (Chestnut=Kastanie) trug wohl sein übriges dazu bei, dass Chesnutt und seine grossartige Band das Zürcher Publikum letzte Woche mit einem unbeschreiblichen Auftritt in Bann zogen.

Wie war es, im legendären Hotel2Tango aufzunehmen?
Ein Freund von mir, der Filmemacher Jem Cohen, hat mich mit den Leuten von Constellation bekannt gemacht. Ausser Guy Picciotto von Fugazi kannte ich vor den Aufnahmen niemanden, doch als ich im Hotel2Tango ankam, wusste ich sofort, dass ich Efrim und seine Leute lieben werde. Die Atmosphäre war fantastisch. „North Star Deserter“ hätte nirgendwo anders entstehen können.

Sind auch ältere Songs auf dem Album gelandet?
Jem hat die Songs ausgewählt. Er hasste meine letzten beiden Platten und wollte sein perfektes Vic Chesnutt-Album machen, deshalb ist es so düster geworden. Die Songs stammen aus einem Zeitraum von über 20 Jahren. „Warm“ habe ich 1985 geschrieben, „Marathon“ unmittelbar vor den Aufnahmen. Das Nina Simone-Cover war eine spontane Sache. Ich habe den Song im Studio vor mich hingespielt und die andern meinten, er müsse unbedingt auf das Album.

Was hat sich seit deinem ersten Album verändert?
Als ich 1988 meine erste Platte gemacht habe, war ich ein Southern Boy aus Georgia. Heute habe ich viel von der Welt gesehen und meinen Akzent fast verloren. Auch mein Gesang hat sich verändert. Meine Stimme ist mir wichtiger geworden, anfangs haben mich vor allem die Texte interessiert.

Du liebst Gedichte. Warum hast du dich für die Musik statt für die Poesie entschieden?
Ich wollte eigentlich Autor werden, doch dann kam mir der Rock n‘ Roll in den Weg. Ich spielte einige Songs an einer Party und dann gab es kein zurück mehr. Songs schreiben ist einfacher, es ist ein wenig als würde man beim Dichten schummeln.

Man bezeichet dich oft als „musician’s musician“, weil du Fans wie Mike Stipe hast…
Ich weiss nicht genau wieso viele meiner Fans Musiker sind. Ich denke meine Songs sind nicht für jedermann. Es hat bestimmt auch damit zu tun, dass viele einen Typen, der im Rollstuhl auf der Bühne sitzt und leidet, pathetisch finden. Diesen Leuten sind meine Songs wohl zu traurig.

„Aber du machst Leute wie mich sehr glücklich“, begegnet ihm der Koch des Ziegel Oh Lac. Dem euphorischen Applaus nach zu urteilen, ging es allen anderen Zeugen dieses Konzerts ebenso.

Rückblende: Sugarhill Gang „Rapper’s Delight“

[flash]http://www.youtube.com/watch?v=XHyyeYpTuno[/flash]

Burial, die zweite

„The sound that I’m focused on is more, you know, when you come out of a club and there’s that echo in your head of the music you just heard. I love that music, but I can’t make that club sort of stuff but I can try and make the afterglow of that music.“, sagt der Mann ohne Gesicht über seine Musik.

Der anonyme Londoner Produzent Burial hat im letzten Jahr mit seinem Debut einen Mythos um sich selbst und einen Monolithen von einem Album geschaffen. Nun meldet sich der König des Dubstep mit „Untrue“ zurück, das ab heute in den Läden steht. Zwar ist Burial’s Sound noch immer voller knistriger SciFi-Mystik und seine Beats pochen deep wie eh und je, trotzdem hat sich einiges verändert. Leider.

Burial legt auf „Untrue“ ein forscheres Tempo vor und nähert sich mit seinem verwunschenen Sound 2Step, R&B und Soul an. Die synkopierten Humpel-Beats sind im Vergleich zum Debut ziemlich bouncy ausgefallen und auch die Vocals lässt Burial weiter in die Nähe der Tanzfläche rücken. Manchmal geht das durchaus auf, die kosmische Verlorenheit von Burial’s Sound bleibt auch im neuen Kontext erhalten. Doch das wohlige Endzeitfrösteln will sich diesmal nur bedingt einstellen. Die gelegentlichen Mickey Mouse-Vocals nerven und man wünscht sich Burial hätte stattdessen Jamie Woon als Sänger verpflichtet (darum).

Mir gefiel Burial’s erster Wurf bedeutend besser, ich vermisse die schwerelose Zeitlupenmelancholie. Boomkat frohlockt trotzdem, dort kann man sich auch einige Tracks anhören.

MP3 to go (spooky Monstermix)

Zum Warmwerden fürs Wochenende das MP3 to go als Multipack, gefüllt mit Danceflooraction aus NYC. Die DFA-Radiomix-Series sind eine feine Sache. Zweimal im Jahr lädt das New Yorker Label ein neues Mix-Doppelpack hoch, nun ist der Radio Mix Fall 2007 erschienen. Teil 1 besteht aus einem spooky Monstermix, den die beiden Tims für die DFA-Halloween-Party hingelegt haben. Das Intro macht das Exorzist-Theme, natürlich sind Daft Punk dabei sowie Holy Ghost!, Klaxons und Inner City.

T&T Halloween Mix (Tim Goldsworthy & Tim Sweeney live at DFA/Ghostly Halloween Party, Tracklist & Teil 2)
[audio:http://www.dfarecords.com/radiomixes/timNtimHalloween2007.mp3]

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Ein Phänomen in weiss

Halleluja! Pünktlich zur Adventszeit ist er zurück, the Man in White. Die Schweiz wird ihm zu Füssen liegen, wenn er ab nächster Woche in 20 Hallen mit dem grössten Gospelchor Europas das längste Spiritual-Medley aller Zeiten anstimmt. Es beinhaltet 20 Songs und dauert 20 Minuten und 20 Sekunden, was, weil der Bo Katzman Chor gerade sein 20. Jubiläum feiert, eine runde Sache ist.

Katzmans neue CD „Soul River“ ist in David’s Abfalleimer gelandet, wo sie auch hingehört, trotzdem möchte ich hier ein paar Worte über den Bo, der früher mal Beau und ganz früher mal Reto Borer hiess, verlieren. Ich bin es ihm schuldig, denn neben Paola und Kurt und Rudi Carell war er eine der dauerlächelnden Schlüsselwachsfiguren meiner TV-Jugend. Ich gebe zu, ich habe ihn nie gemocht. Menschen, die sich von Kopf bis Fuss in weiss kleiden, sind mir grundsätzlich suspekt. Weihnachtsmusiker erst recht. Aber die Leute lieben ihn.

„Was keinen Erfolg bringt, mache ich nicht“, sagt Katzman hier ganz unbescheiden. Was ist sein Erfolgsrezept? Wie bei vielen überdurchschnittlich erfolgreichen Musikern wohl seine Durchschnittlichkeit. Der Rock und Pop, den er in den 80ern machte, war durchschnittlich, sein Chor besteht aus Hobby-Sängern und seine eigene Stimme ist alles andere als charismatisch. Und doch hat er innert 10 Jahren 10 goldene Schallplatten eingeheimst. Wie macht der Bo das nur? Mitunter bestimmt mit Copperfield’schem Mystizismus und Guiness-Buch-Gigantismus. Zudem ist Katzman musikalisch, sonst hätte er keinen Konsi-Abschluss. Und er ist eine Leader-Natur in Form eines verkappten Priesters. Im Fan-Forum seiner Webseite gibt er Preis, dass er „mit 14 ernstlich mit dem Gedanken spielte, katholischer Priester zu werden“. Talent hätte er gehabt: „Was gibt es denn überhaupt ausser Gott? Ich will es dir gerne sagen: Es gibt nichts ausser Gott, denn alles, was existiert, kommt aus Gott heraus.“

Fast 4’000 Fragen von Teenagerinnen, Twens und Müttern hat Briefkastenonkel Bo in den letzten 7 Jahren auf seiner Website beantwortet. Deutlich wird dabei: Bo liebt seine Fans wirklich, sein Gutmenschentum ist keine Farce. Und seine Fans lieben ihn, weil er ihren verlorenen Seelen Kraft gibt: Evi (29) schreibt: „Ich freue mich Dich wiederzusehn, Dir die Hand zu schütteln und mit neuer Kraft nach Hause zu gehen. Du hast eine wunderschöne Gabe Menschen neuen Lebensmut zu schenken, ihnen den richtigen Weg zu weisen.“ Lässt sich Bo Katzman auf seiner nächsten Tour ans Kreuz nageln?