78s has left the building. ¯\_(ツ)_/¯

Alle 42 Artikel von Philipp Albrecht

Das Auge hört mit

Pink-Floyd-0003.jpgWas hat eine Band wie Pink Floyd eigentlich der heutigen Jugend zu bieten? Diese Frage stellt sich anlässlich der vor kurzem erschienen Doppel-DVD „Pulse“ (EMI). Darauf festgehalten ist eines von zwölf Earls-Court-Konzerten in London aus dem Jahre 1994. Wen interessiert das eigentlich, abgesehen von eingefleischten Floyd-Heads? Da sind lauter Gilmoure-Songs drauf, viele aus den Achtzigern und Neunzigern, die ihren Zeitgeist-Charme längst abgelegt haben. Das Konzert erschien ausserdem schon vor zehn Jahren als VHS. Wer keine Karten mehr kriegte, schaute sich das Video an. Und jetzt ist 2006: Die Kids wollen lieber New Wave als New Age.

Und doch: Pink Floyd lebt. Nach ihrem Reunion-Gig anlässlich des Live-8 in London schnellten die Verkäufe sämtlicher Floyd-Alben in die Höhe. Die Antwort auf die eingangs gestellte Frage ist vielleicht ganz einfach: Es gab vor ihnen keine Band wie sie und es scheint, als würde auch nach ihnen niemand mehr kommen. „Dark Side Of The Moon“ aus dem Jahre 1973 verblieb über elf Jahre ununterbrochen in den US Top 200 Billboard Charts. Es wurden weltweit über 34 Millionen Kopien verkauft. Wer sich für das musikalische Weltgeschehen interessiert, kommt nicht um Pink Floyd herum.

Auf „Pulse“ ist die Live-Interpretation aller „Dark Side“-Songs zu sehen, und zwar in vollendeter Perfektion. Dazu die grössten Hits („Another Brick In The Wall (Part 2)“, „Wish You Were Here“ usw.). Und interessante Features (sofern Features interessant sein können): Hobby-Filme von Roadies, Bootlegaufnahmen von Songs, die nur selten während der zweijährigen Tour gespielt wurden und Billy Corgan von den Smashing Pumpkins wie er für die Aufnahme Pink Floyds in die Rock ’n‘ Roll Hall of Fame eine Laudatio hält und im Anschluss mit den Geehrten „Wish You Where Here“ spielt. Aber das Beste ist die Lichtshow, die auch nach zwölf Jahren noch jeden LSD-Trip ersetzt. Das Auge hört mit.

Die lieben Kanadier wieder

dears.jpgSie standen letztes Jahr im Schatten von Antony and the Johnsons, als grosse Überraschung des Montreux Jazz Festival: The Dears aus Montreal. Am 28. August erscheint ihr neues Album „Gang Of Loosers“ (Bella Union/TBA), von dem man nicht recht weiss, ob es das zweite oder dritte ist, da die Band selbst nichts mehr von ihrem ersten Album wissen will, das lange zurück liegt und mehr Experiment als Album ist. Zum Aufwärmen gibts hier das Video zu „Ticket To Immortality“ zu sehen. Auf ihrer Myspace-Seite gibt’s bereits den Song „Bandwagoneers“ zu hören. Das sind zusammen schon Ein Sechstel des Albums. Immerhin. Mehr zum Album gibt’s bald auf dieser Seite zu lesen.

Hip Hop Hooray

jurassic5.jpgSeit gut einer Woche ist er draussen, der langersehnte Nachfolger von „Power In Numbers“ (2002). Die grossen Blätter des Landes haben alle schon drüber berichtet. Der Tagesanzeiger titelte „Das Ende der schwarzen Musikgeschichte?“ und verglich mit den Worten „zwei Extreme, die sich langsam zu berühren beginnen“ „Feedback“ (Interscope/Universal) mit dem Soloalbum von Pharrell. Und die Weltwoche empfahl das vierte Album von Jurassic 5 gar schon zum Kauf bevor es selbst ein Exemplar hatte, ganz nach dem Motto: Kann denn da was schief gehen? Und was bleibt? Primär zwei Dinge: 1. „Feedback“ ist seiner Zeit voraus und geht gleichzeitig zurück in die Zeit, als auf New Yorks Strassen in Rüeblijeans statt in Breitschnitt mit Worten gekämpft wurde (die Faust zeigt nach wie vor gen Himmel). 2. Pharell ist so weit entfernt von Jurassic 5 wie Baschi von Robbie Williams. Also, Jurassic 5 bleibt weiterhin dynamisch, stark, wurzelorientiert, innovativ und, ja genau, sexy.

Was tun wenn Wochenende?

rubiks1.jpgRubicks aus London spielen elektronisch untermalten New Wave. Dieses Wochenende spielen sie gleich zwei Mal innerhalb unserer Landesgrenzen: Auf dem Schiff in Basel und als Support von She Wants Revenge im Zürcher Mascotte. Und Remute alias Denis Karimani aus Hamburg spielt mit frechem Techno im Hive herum. Übersicht:

Rubicks (Bild)- Freitag, 28. Juli, 23:00, Das Schiff, Basel

Remute – Freitag, 28. Juli, 23:00, Hive, Zürich

Sophie Zelmani – Freitag, 28. Juli, 21:00, Blue Balls, Luzern

She Wants Revenge/Rubicks – Samstag, 29. Juli, 20:00, Mascotte, Zürich

La Cibelle

cibelle.jpgSie ist hierzulande nicht gerade für ihre Konzerte bekannt, die schöne Cibelle aus Brasillien. Und auch ihre Alben verkaufen sich eher schleppend in diesen Breitengraden. Ihr einziger Schweizer Auftritt fand letztes Jahr am Montreux Jazz Festival statt. Trotzdem oder gerade darum muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, das sie eigentlich die Retterin des Bossa Nova (inzwischen nennt man’s schon Nova Bossa Nova) ist. Keiner ihrer Landsleute hat es bisher geschafft, diesen Stil in die Gegenwart zu konvertieren. Eine Ausnahme ist der Produzent Suba, der als Entdecker von Cibelle gilt und tragischerweise den Flammen in seinem Studio zum Opfer fiel. Cibelle hat letzten Frühling ihr wunderbares zweites Album „The Shine Of Dried Electric Leaves“ (Crammed/Rec Rec) veröffentlicht. Dort kreuzen sich harmonische Bossa-Riffs mit verspielten und teils an der Grenze des Disharmonischen agierenden Samples. Frische Beats und Cibelles engelhafte Stimme runden das Werk ab. Am 3. August tritt Cibelle nun wieder nicht in der Schweiz auf, dafür aber ganz nah an der Grenze. Im Rahmen des Stimmen Festivals in Lörrach bestreitet sie den „Voicebeats“-Abend mit dem „weiblichen Manu Chao“ Ampara Sánchez. Da sollte man also schon hingehen …

My Brightest Diamond

mybrightestdiamond.jpg

Noch nie war ich im Nachhinein so enttäuscht, eine Vorband verpasst zu haben. Damals, am 23. Oktober 2005, spielte My Brightest Diamond vor Sufjan Stevens im Clubraum der Roten Fabrik in Zürich. Ich hab sie verpasst. Wer weiss, wann sie wieder kommt? Vielleicht noch dieses Jahr, um ihr erstes Album zu promoten, das am 22. August erscheinen wird. Also: Kauft das Werk, wenn’s dann erscheint, Ende August. Damit sie auch zu uns kommt, die Spitze von Sufjans Pyramide.

Die neuen Frauen von Cityslang

justineelectra.jpgDas deutsche Plattenlabel Cityslang hat sich einst darauf konzentriert, gute US-amerikanische Bands für Veröffentlichungen in Europa unter Vertrag zu nehmen. Das tut es zum Teil auch heute noch, mit Bands wie Lambchop oder Calexico. Dazugekommen sind in den letzten Jahren aber auch deutsche Acts wie The Notwist oder Schneider TM. Zu den ganz grossen Cityslang-Entdeckungen dieses Jahres gehören aber zwei Frauen, die viel verbindet und dennoch unterschiedlicher nicht klingen könnten. Amy Millan ist Mitglied der kanadischen Bandkollektive Broken Social Scene und Stars. Dort beschäftigte sie sich bisher mit der neuesten Entwicklung, gemässigten nordamerikanischen Indierocks. Als Solokünstlerin geht sie vielmehr der Frage nach, wie man Leuten unter Dreissig den amerikanischsten aller Stile näher bringen kann: Country. Das macht sie so charmant und cool, dass „Honey From The Tombs“ dieser Tage zur Stammbesetzung in der Stereoanlage ihrer Zielgruppe wird.

Anders geht es die australische Wahlberlinerin Justine Electra (Bild) an. Sie mischt auf ihrem Début „Soft Rock“ elektronische Samples mit traditionellem poppigen Songwritertum. Live macht sie das – wie Leslie Feist oder Laura Veirs – mit Loops. Das hat den Cityslang-Gründer Christof Ellinghaus so sehr entzückt, dass er ihr nach einem Auftritt in einem Berliner Club eine Demo-CD für 10 Euro abkaufte. Was er darauf entdeckte, hat ihn so berührt, dass er sie umgehend unter Vertrag nahm und daraufhin einen zweiseitigen Promotext über seine Erlebnisse mit der Demo-CD verfasste. Und tatsächlich: Justine Electras akustische Ausstrahlung inspiriert ungemein. Die Tochter australischer Hippie-Eltern und Absolventin eines Studiengangs für zeitgenössische Musik spielt mit allen möglichen Finessen des dunklen Songwritertums. Die akustische Gitarre paart sich mit rauen Samples, mit Gesprächsfetzen und einem Balaleika. Dann erscheinen plötzlich Achtzigerjahre-Synthies im Hintergrund um nachgeahmte Soldaten-Gesänge zu unterstreichen. Wunderbar verrückt.

Videos:

Justine Electra: „Fancy Robots“

Amy Millan: „Baby I“

C’est chic fürs Wochenende

admiral.jpgAdmiral James T. (Bild) – Freitag, 21. Juli, 18:00, Blue Balls Festival, Luzern

Stop The Shoppers, Polo Hofer, Big Zis – Freitag, 21. Juli, 20:00, Blue Balls Festival, Luzern

Kosheen – Freitag, 21. Juli, 21:00, Volkshaus, Zürich

Biggles – Samstag, 22. Juli, 18:00, Blue Balls Festival, Luzern

Stereo Total – Samstag, 22. Juli, Poolbar, Feldkirch (A)

Gustav – Sonntag, 23. Juli, 18:00, Blue Balls Festival, Luzern

Patent Ochsner & Gäste – Sonntag, 23. Juli, 20:30, Live At Sunset, Zürich

Von 0 auf 4 „gestürmt“

gold.jpgSie können einem richtig leid tun, diese Künstler. Da reisen sie nach Montreux und versuchen ihren Job zu machen und müssen dann noch schön hinstehen und lächeln, weil ein paar abzockende Label-CEOs ihnen irgend einen „Gold Award“ überreichen, weil ihr Album in einem Land, dessen Namen sie kaum aussprechen können von 0 auf Platz 4 in die Hitparade „gestürmt“ ist. Das sind in der Schweiz vielleicht 5’000 verkaufte Platten (wenn’s gut läuft und Sommer ist, also kaum Alben erscheinen). Wir sehen hier den genialsten Hiphop-Produzenten unserer Zeit, Danger Mouse, und seinen dicken Sänger, Cee-Lo. Die beiden langweilen sich ganz offensichtlich zu Tode zwischen den Warner-Funktionären. Hoffentlich springt wenigstens Flüssiges für Gnarls Barkley dabei raus. Ach ja: Der ältere Herr ganz links ist übrigens Claude Nobs, der Vater des Montreux Jazz Festival. Er weiss wahrscheinlich nicht, worum es hier geht.

Wohin am Wochenende?

the who.jpgZiggy Marley / Toots And The Maytals – Donnerstag 13. Juli, 20:30, Volkshaus, Zürich

The Who (Bild) – Freitag 14. Juli, 20:30, Piazza Grande, Locarno

Polo Hofer & die Schmetterband – Sonntag 16. Juli, 20:30, Live At Sunset, Landesmuseum, Zürich

Ansonsten nur Festivals (Montreux, Gurten etc.) auf dem Programm.