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Alle 145 Artikel von 78s Redaktion

Knackeboul Tourtagebuch: Knack trifft Jugendheld NaS

Wenn man als Musiker, sagen wir Rapper, auf dem selben Flyer wie eines seiner grössten Idole steht, fühlt man sich wie auf Wolke Sieben. Hier ein paar Impressionsfetzen von meinem Abend im HipHop-Himmel:

Der Mischer von NaS ist ein Arsch! Lässt die Leute über eine Stunde vor der Eishalle Deutweg warten, weil es nach hundertmal Mikrophon-an-die-Monitor- Boxen-Halten komischerweise immer noch piepst und reisst uns auf der Bühne in letzter Sekunde (der Beat läuft schon) die Mics weg… cause they’re NaS‘ Mics.

NaS selbst betritt, nachdem er seinen 300-fränkigen Tequilla genippt hat, die Bühne und sagt irgenwann mal: „I stand for freedom.“ Hinter der Bühne stehen jedoch zahlreiche Bodyguards und man darf sich nicht mal mehr im Backstage frei bewegen. Immerhin überzeugt NaS mit einer richtig langen, raptechnisch umwerfenden Show und den Hits unserer Jugend.

Kool Savas und seine Posse sind „nette Siechen“, haben sich richtig mit uns unterhalten, schrieben mir in mein Tourbuch und posierten krass mit Banane (siehe Bild). Die Beatnuts… kamen nicht. Das Highlight des Abends war folgendes Bild: Wir können mit unserem Bus nicht heimfahren, weil der Ausgang von NaS‘ Edel-Konvoi blokiert wird. Ich, der einzig nüchterne und somit Fahrer; steige aus und mache Freestyle-Sessions mit den Basler Jungs von Tripple-Nine. Als ich zurückkomme steht hinter unserem Bandbus ein luxuriöser Geländewagen, von dem Gölä nur träumen kann. An diesen Wagen angelehnt erkenne ich den etwas angetrunkenen E-Quadrat, der auf gebrochenes Hochdeutsch gegen keinen anderen als Kool Savas, den King of Rap ein kleines Battle veranstaltet. Das war etwas vom Lustigsten, was je auf eines unserer Handys aufgenommen wurde. Als wir endlich losfahren durften, waren wir dann wohl oder übel ein Teil der Star-Rap-Karavanne NaS/Savas… Hoffentlich ein Vorbote dessen, was uns in den nächsten Jahren erwartet. Morgen treffe ich auf De La Soul im Palazzo in Chur. Das Leben ist schön.

Die nächsten Konzerte von Knackeboul:
6.6. Palazzo (Chur), 7.6. Bierhübeli (BE), 8.6. Beach Party (Wengen a.A.), 6.7. Touch The Lake (ZH)

B-Sides gut, Greenfield böse

Das B-Sides-Festival auf dem Krienser Sonnenberg geht dieses Jahr in die zweite Runde, und wir finden das so dermassen toll, dass wir dafür auch gerne Festival-Tickets verlosen. 2×2 Gratis-Eintritte gibt’s für die flinksten Finger unter euch.

Alle nicht so flinken notieren sich bitte das Wochenende des 15. und 16. Juni. Und kommt mir ja nicht mit „dann ist aber das Greenfield-Festival, da will ich unbedingt hin, da spielen die Queens of the Stone Age, Marilyn Manson, die Smashing Pumpkins und ganz viele andere tolle Bands“. Dem möchte ich dankend die Festival-Vorschau von Albert Kuhn aus der Weltwoche von letzter Woche entgegenhalten. Das Fazit der Vorschau: lasst die Finger von grossen Open Airs, diese sind nämlich sowieso gleichbedeutend mit einem „suboptimalen Konzerterlebnis“.

Da hat er Recht, viele grosse Festivals sind nichts anderes als eine heuchlerische Schönfärberei: viele gute Bands werden in Fliessband-manier vor zu vielen Menschen über zu grosse Bühnen gejagt. Die Enttäuschung der Festivalgänger ist vorprogrammiert. Das erstaunliche daran ist aber, dass die meisten Festivalbesucher das wissen, weshalb sie sich im Vorfeld der Open Airs ja auch mit Unmengen an Bier und Drogen eindecken, um von diesem suboptimalen Konzerterlebnis so wenig wie möglich mitzubekommen.

Und genau darum sind kleine Open Airs auch so viel besser, kleine Open Airs wie es zum Beispiel auch das B-Sides eines ist. Da gibt’s zwar auch Drogen, aber man konsumiert sie nicht wegen der Realitätsflucht, sondern aus Genuss, und gute Konzerte gibt’s dazu. Das Fazit des Open Air-Mahnfingers: B-Sides gut, Greenfield böse!

PS: Wir haben auch noch 1×2 Tickets für das Leimentaler Open Air. Wer will?

78s-Motel: Schorsch Kameruns Titankatzen-Manifest

Sarah von BlumenthalVor seiner Abreise übergab Schorsch Kamerun (Die Goldenen Zitronen) dem Concierge einen Umschlag mit der Aufschrift „Das Manifest“ und murmelte dazu: „Das muss an die Öffentlichkeit gelangen…“

New Stream. Manifest.

New stream music ist freies Spiel. Interessenfreie Improvisation. Kalter Jazz. Das bürgerliche Gedächtnis und der nasse Tod werden zu einer musikalischen „Rede“ herangezogen. Ihr Ton ist klar. Ihre Protagonisten sind Glasmenschen, deren Atmung Gesang sein soll. Die Musiker sind schön, weil sie aussehen wie ein Mädchen. Ihre Bewegung ist beschränkt: unser Tanz ist eine Choreografie unserer Hände, die wir in Keyboards baden. Unsere eigenen Körper übergießen wir mit flüssigem Platin um uns gegen den Strom der Töne, die wir berühren wollen abzusichern.

Der Horizont ist unsere Partitur. An ihm wird der beste Tabak gepflückt. An den Knöpfen der Aufmerksamkeit darf nicht gedreht werden. Wir verblüffen allenfalls durch Gleichmut. Die zeitliche Ausdehnung der Stücke ist zwar meß-, aber nicht fühlbar. Eine Kommunikation zwischen den Spielern ist überflüssig. Dynamik ist nur zwischen der Tatsache, daß wir spielen und dessen Gegenteil und der Gunst des Gegenteils davon. Die Texte sind nicht Bitte sondern Abgesang aufs Bedeutungslose, über eine Latte gezogener Kaffee, der von vorne in eine Trompete gestopft wird zum Aufputschen. Unsere Position ist klar. Das Auditorium wird nie müde. Die Liebe ist verändert worden, sie ist unbeschränkt. Wir könnten uns zu den Tieren wenden und mit ihnen leben. Sie sind so ruhig und selbständig. Wir stehen und betrachten sie lange und lange.

Schorsch Kamerun hat zusammen mit den Künstlern Albert Oehlen und Andre Butzer die Band „Titankatzen“. „New Stream“ nennen sie ihren Musikstil.

78s-Motel: Fabienne Louves schwarz auf weiss

Illustration: Sarah von BlumenthalAls der Concierge am Morgen im 78s-Motel zum Rechten sah, entdeckte er im Zimmer, wo Musicstar Fabienne Louves übernachtet hatte, neben dem Fernseher eine Postkarte, die Louves offenbar dort vergessen hatte. Darauf stand folgendes zu lesen:

Seit ich Musicstar 2007 geworden bin, hat sich mein Leben um 360° gewendet. Vor Musicstar hatte ich einen geregelten Wochenplan, jetzt habe ich unregelmässige Arbeitszeiten und bin ständig unterwegs, was mein Leben aber auch sehr aufregend macht. Ich lerne sehr viele, neue und interessante Menschen kennen von der Musicbranche. Leider muss ich durch das meine Familie und Freunde einwenig vernachlässigen, aber sie bringen vollstes Verständnis auf. Vom Singen leben zu können, war schon immer ein riesen grosser Traum für mich und hoffe natürlich auch dass ich dies einige Jahre durchziehen kann. Wichtig ist neben meinem Einsatz die gute Zusammenarbeit mit Plattenfirma und Management, die Unterstützung von Medien und Volk und der Spass an der Musik, welcher ich mit 100-prozentiger Sicherheit immer mein ganzes Leben lang haben werde. Im Moment ist mein Album „Schwarz uf Wiis“ für mich ein riesen Erfolg und bin richtig Stolz auf mein Werk.

Tourtagebuch Knackeboul: Knack trifft Dodo und Göla

Ich habe Gölä getroffen! Man stelle sich die Knacke-Crew in einem klapprigen Mercedes-Bus vor, müde und angeheitert vom Konzert, an einer abgelegenen Tankstelle, beratend, ob nun wohl Diesel oder Benzin getankt werden musste Der Mundartisten-Bus war in den Ferien, darum mussten wir mit diesem abenteuerlichen Vehikel Vorlieb nehmen. In seinem Innern hätte fast das halbe Publikum des vorangehenden Konzertes in der Kaserne Zürich Platz gehabt und so wenig Leute waren es gar nicht.

Das Label Bakara hatte mich eingeladen zusammen mit Dodo und Cali P einen Abend unter dem Motto „Dancehall Heroes“ zu zelebrieren und da ich ab und zu auch eine Halle zum tanzen bringe, sagte ich gerne zu. Am Freitag stand ich noch mit Famara auf der Bühne im Rahmen des allerletzten Swissgroove-Tour-Konzertes. Ja, der Abschied fiel schwer, aber der Weisswein im Backstage der Schüür Luzern half über das Schlimmste hinweg. In der Schüür sass unser Techniker übrigens in einem Ufo und der Monitormischer hiess Franz und war eine Frau. Liebe Musiker: Solltet ihr mal das Vergnügen haben, dort zu spielen, nehmt es ja nicht mit der Mischerfrau auf und kommt unter keinen Umständen auf die Idee, sie Fränzi zu nennen, denn Franz ist mit allen Wassern gewaschen.

Aber eigentlich wollte ich ja was anderes erzählen. Also: Da lungerten wir mit unserem riesigen Bus irgendwo an einer Tankstelle in der Nähe von Dagmarsellen herum (beliebtes Wortspiel: „Ig hätt no dr Dagmar selle alüte!“), als plötzlich zwei grosse Geländewagen auftauchten. Aus dem vorderen quoll ein piratenhaftes Wesen, im hintern sass ein ebenfalls eher grimmig wirkender Mann, der mit seinen Stahlkappenschuhen die Tür aufstiess und seine in weiss-graue Armyhosen gekleideten Beine lässig aus der Tür streckte..Zuerst hatte ich etwas Angst, aber: Es war Gölä! Er und sein Begleiter waren nett, sagten uns, dass unser Bus Bleifrei tanken muss und schrieben mir gar in mein Tourtagebuch..direkt nach Dodo und Cali P.

78s-Motel: Jürg Morgeneggs Fistfuck mit Baschi

Meine Nacht im 78s Motel möchte ich am liebsten mit Baschi verbringen. Denn: Ich finde Baschi geil! Der Junge hat nämlich die richtigen Zutaten für einen Rockstar: Eine grosse Portion Naivität, ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein, Humor, er schreibt seine Songs (zum Glück) nicht selber und nicht ganz unwichtig: Er ist echt!

Sind wir doch mal ehrlich, auch wenn wir alle in diesem 78s-Motel coole alternative und Indie-Zimmer gebucht haben: Auch wir wollten Anfang 20 so sein wie Rocco Siffredi oder? Und kann ich es einem Typen, der Anfang zwanzig ist, verübeln, wenn er sagt bzw. singt, was er denkt? Und bitte: Nicht alles, was im Blick erscheint, eine Fernsehsendung hat und sich gut verkauft, muss schlecht sein. Wir Schweizer und vor allem die kleine Gemeinde der Indie-Zeitgenossen haben halt ein Problem damit, sobald etwas gross ist. Ein bisschen Erfolg ist ok, aber wehe, wenn eine Band erfolgreicher wird als die eigene, ohhhh, dann gibt es aber Problem.

Oder neulich bei der Demotape Clinic am M4Music. Hey, waren die meisten Bands alle brav und bescheiden und vor allem waren sie als Personen so was von langweilig. „Tja, äh, wir wollen halt so ein bisschen spielen und unseren Spass haben und ein gute Zeit. Und wenn dann der Erfolg eintritt, ist das schön, aber wir glauben nicht daran!“ Schön und gut, ist ja auch ok und wenn man sich nicht ständig am Bahnhof trifft, findet das die offene Jugendarbeit auch gut. Aber ehrlich ist das bei den meisten nicht! Liebe Bands, sagt doch einfach, was ihr denkt und reisst mal das Maul auf und macht euch endlich mal gross! Lasst euch was einfallen! Und wenn der Blick die Story druckt, umso besser! Weshalb sind den englische Bands immer so präsent? Weil die’s verstehen, sich ins Gespräch zu bringen! Hype‘ heisst das Zauberwort! Ahh, und da kommt auch schon der Herr Bürgin ins Zimmer spaziert…

Jürg Morgenegg ist Promoter/Booker von Fistfuckerrecords aus Aarau, das so illustre Künstler vertritt wie Urban Junior, Blusbueb oder die Failed Teachers.

Knackeboul Tourtagebuch: 3 Events im Schnelldurchlauf

Mittags, Muristalden Bern: Alternative Idealistinnen veranstalten einen wohltätigen Event. Es werden Tombolas angepriesen, Bilder mit Aquarell-Brüsten ausgestellt und Konzerte in einem düsteren Saal gegeben. Vor mir Fritz Widmer, ein alter Freund Mani Matters, brilliant. Nach mir die Sintflut… Ich bitte das Publikum auf die Bühne, weil es dort Platz und besseren Sound hat.

Dann weiter. Zürich, Uni Irchel, riesig. Der ganze Bandbus passt in die Katakomben. Überwältigende Architektur, zuvorkommende Veranstalterin, niedliche Bühne extra für uns. Dann plötzlich feminine Tänzer und gruselig geschminkte Tänzerinnen mit anmutigen Körpern. Glitzerkleider und Salsa. Nationaler Tanzwettbewerb der Reichen und Schönen, dauert vier Stunden und verhindert so unseren Soundcheck. Ziehen uns zurück ins Backstage, ein futuristischer Vorlesungssaal mit Beamer, mobilen Leinwänden und allem Schnickschnack. Schauen Youtube-Clips. Ab und zu wieder ein Blick nach draussen zu den Tänzern und Tänzerinnen, die sich auf Youtube auch ganz gut machen würden. Dann Essenfassen mit tausend Sportlern, trotzdem nur 5 min. anstehen. Merke: Logistik an Zürcher Uni 1A. Nach dem Essen strömen Massen ins Unigebäude. Wir müssen auf eine Bühne, die verloren in einem riesigen Saal steht. Tausende Leute… niemand hört uns. Wir drehen durch. Schreien, flehen, beatboxen. Etwa hundert kapierens und gehen ab.

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Schnitt, wieder Zürich, anderer Tag… Ich übergebe den M4MusicAward in den sparten Electronic und Urban, weil ich den Preis mit zwei verschiedenen Produzenten, unter zwei verschieden Namen, die letzten zwei Jahre jeweils gewonnen habe. Viele wichtige Leute aus der Musikbranche und vor allem aus Zürich. Mitten unter ihnen der Knackeboul oder Orlando Menthol oder auch Chris vo Bärn aus Langenthal… also ich. Wem das alles etwas hektisch und strange vorkommt. Könnt euch trösten. Geht mir genauso.

PS: Knackeboul würde sich freuen, wenn ihr hier für seinen Clip „Meister Zeit“ abstimmt.

78s-Motel: Adrian Weyermann bittet um Ruhe

adrianweyermann.jpgAls erstes brauche ich Ruhe um mich. Keine Telefone, keine Rechnungen, die sich stapeln, keine Schuhe, die drücken. Dann brauche ich meine Gitarre, mein Klavier, mein Tonbandgerät und vor allem ein Quäntchen Einbildung. Oder ist es Vorstellungsvermögen? Das Gefühl, jetzt etwas Wichtiges zu tun. Mich zu sehen als Miles, wenn er die Trompete ansetzt, oder Kippenberger (der deutsche Künstler) wenn ihm am Tresen eine absurd-treffende Idee kam. Davon überzeugt sein, dass es etwas Wichtiges wird, noch bevor der erste Ton aus dem Klavier kommt und doch nicht so verkrampft wollen, dass es einzigartig ist, das heisst, sich nicht hemmen mit dem Kontrollblick auf jedes Bisschen. Ich bin nämlich so gern, was ich gerne wäre. Und ich kann sein, was ich immer wollte, werde zu dem, was ich komponiere. Ich kann den Weg bestimmen, ich setze die Grenzen, ich bestimme die Länder. Ton für Ton. Arbeit, viel Arbeit, aber Big Time!

Blendende Aussichten, nicht wahr? Würde ich meiner besten Freundin empfehlen; kreativ zu sein. Und doch zucke ich selber bei dem Wort zusammen: KREATIV (pfui!!), weil sich jeder Werbetexter kreativ nennt, jeder Bankheini zur genialen Kreatur wird. Jedes gelangweilte Zürcherlein auch noch ein schickes Atelier hat, wo man sich so wahnsinnig eitel betätigen kann. Was soll also das Ganze Sich-seiner-Originalität-brüsten? Nix! Originell sein kann nicht das Ziel sein, wenn die Kunst nichts als ein Aufschrei, eine einzige grosse Befreiung von allen Zwängen sein soll. Und das kann jeder und sollte jeder tun und sei es nur, Lieblingsworte auf dem Klopapier festhalten, Seidenmalerei betreiben, aquarellieren, Gutenachtgeschichten erfinden, what the fuck! Denkt Euch die engen Schweizer Grenzen weg, stellt Euch alles vor und lasst Euch nix vorschreiben. Da bin ich ganz Idealist, (Eid-)Genossen! Und jetzt Ruhe bitte…

Adrian Weyermann spielt an fast allen Schweizer Openairs: Hoch Ybrig, Quellrock, St. Gallen, Wettingen, Woodrock, Gurten und Waldstock. Zum Interview mit Adrian Weyermann geht’s hier lang.

Tourtagebuch Knackeboul Folge 2: Moods, Zürich

Seit jeher leide ich unter panischer Klaustrophobie und habe mich deshalb vor Jahren entschieden eine Band zu gründen, damit ich nicht mehr im Gedränge stehen und schwitzen muss, sondern von der Bühne aus die Menge überblicken kann Es hat sich gelohnt. Am Freitag durfte ich endlich einmal die Bühne des Moods in Zürich betreten, machte mich beim Veranstalter, einem Leibesriesen namens Dänu, beliebt und gab ein Interview für StarTv. Diesem Interview wohnte auch Hänsu, mein Kumpel, Back-Up MC, Producer und Allrounder bei, der dafür sorgte, dass die Medienlandschaft nun davon ausgehen muss, dass der Knackeboul eine homoerotische Beziehung mit einem unbekannten Schönling führt. Hänsu, auch Chocolococolo genannt, hat nämlich das getan, was wir uns als kleines Medienkonzept ausgedacht hatten, nämlich nur dasitzen, gut aussehen und nichts sagen. Leider hat der gutaussehende Choco die Performance noch etwas ausgebaut, indem er während des Inteviews eine im Krempel Buchs geklaute Schweisserbrille trug und mir während den letzten Sekunden des Interviews die Hand aufs Bein legte, dieser unverbesserliche Profilierungsneurotiker.

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Profilieren durfte ich mich später auf der Bühne. Das Publikum war tolerant, ausgeflippt und partywillig. Jede noch so plumpe Publikumsanimation wurde sofort kompetent umgesetzt und alles in allem fühlte ich mich als guter Act vor einem noch besseren Publikum. Wie immer habe ich die Leute aufgefordert mir Freestyle-Themen aufzugeben und siehe da,für einmal schrien die Leute nicht nur „Bier“ und „Titten“, nein da gab es philosophisch angehauchte Konzertbesucher, die mich mit Themen wie „7/8“ oder „Rassendiskriminierung“ konfrontierten, was mir ehrlich gesagt einiges abverlangte. Zu den Themen „Summer“, „Senegal“ und „Unspunnenstein“ schoss es aus mir wie aus einer Kanone: „I befürchte dr Knäck dä chunnt nümme hei/ wiu öii Theme si schwär wie dr Unspunnestei/ Aber i gloube de Lüt do isches eh egau/ dass dr Knäck verschwitzt isch wie im Summer ds Senegal!“

1. Gast im 78s-Motel: Kutti MC mit einem Essay on pills

Ich stemme den leeren Kühlschrank über meinen Kopf, um so den ertrunkenen Alkohol zu lobpreisen: Konzertpostale Depressions-Gymnastik. Von der Höhe der Bühne, wo ich in einer anderen Wirklichkeit agierte, freestylte, wirkte und war, stürze ich zurück in eine versiffte Second-Hand- Backstage-Sofa-Landschaft. Eben noch war ich Hohepriester, Tänzer, Entertainer wider Natur, jetzt wieder ein Betreibungsschreiben-Empfänger, ein autobahnraststätten- ammorgenumdreiuhrsandwichfressender Mittelland-Hip-Hop- Rock’n’Roller: Diese Diskrepanz, diese Spannung gilt es auszuhalten. Für wahr!

CH-Musik: Pseudoprovokatives Formatradio-Poprock- Retortenprodukt á la Spiesser-Baschi? For Example. Wanna fuck with me? I eat Prix-Walos daily, you know? Und das als bleicher Brillenträger, der ich bin. Alternativ sexy. Was ich mir anmasse? Mein Massstab ist lange und ich fliege hoch. You know? Durchschnittseuphorisch: Das CH-Music- Business. Fuck off! Jetzt Jammerverbot.

Es gibt auch übergute Musik aus der Schweiz. Gottlob, ich bin nicht alleine (Stimme aus dem Off: „Hey, der Kutti ist ja so was von arrogant! Was meint der eigentlich, wer er sei, hä?“ Ich zur Stimme aus dem Off: „Deine Mutter und ich rauchen zusammen mit Scarlett Johannson Crack im Whirlpool, Baby Bitch!“). Ach! Diese postpubertären Hip- Hop-Posen. Lächerlich diese selbstgefällige Ernsthaftigkeit mancherorts.

Ich rufe meine Mutter an. Will dieses Jahr als 50-Rappen-50-Cent-Verschnitt CH-Open-Airs besuchen. Will im Konsum aufgehen. Hoffentlich näht sie mir das Kostüm, obwohl ich doch kein motherfucking Muttersöhnchen bin, welches sich nur Dank Papis Cash zum Freizeit-Hip-Hoper stilisieren kann …. Fuck off. Wo war ich? Um was geht es in diesem Text? Ich denke, ums nüchtern werden. Ein Versuch. It’s just ein Essay on Pills, you know?

Ach, ja, zurück zum Anfang: Ich stemme also den Kühlschrank über meinem Kopf und … erwache am nächsten Morgen, als der Motelmanager an die Türe hämmert: Was ist passiert? Höret, liebe Gemeinde, meine Kunst, meine Lieder sind Antwort genug. Just to repeat: Die Welt hat vielleicht nicht gewartet auf einen wie mich, ich aber auch nicht auf eine wie sie. Thank you, Scarlett. I’m out. One Love!

[Das aktuelle Album von Kutti MC „Dark Angel“ (Muve) ist beim Plattenhändler Downloadanbieter deines Vertrauens erhältlich. Das neue Video zu „St. Helvetia“ gibts hier]