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Ein Phantom auf leisen Sohlen

Von    |   5. September 2014   |   0 Kommentare

Die Geschichte von Lewis erinnert an „Searching For Sugarman“. Nach jahrelanger Suche konnte der mysteriöse Dandy, der Mitte der 80er zwei sagenumwobene Alben veröffentlicht hat, doch noch ausfindig gemacht werden.

lewis1Los Angeles, 1983. Ein Mann fährt in einem weissen Mercedes 450 SL vor dem Beverly Hills Hotel vor, weist sich an der Réception als kanadischer Staatsbürger aus und checkt unter dem Namen Randall A. Wulf ein. Er arrangiert ein Fotoshooting mit Ed Colver, der sich in der Punk-Szene von LA einen Namen gemacht hat, bezahlt den Fotografen mit einem ungedeckten Scheck und verschwindet nach Kanada, wo er unter dem Pseudoym Lewis ein Album aufnimmt. Dessen Cover ziert eines der Fotos von Ed Colver, auf der Rückseite findet sich eine Widmung an das Supermodel Christie Brinkle und als Kontaktadresse ist ein Postfach auf Hawaii angegeben.

30 Jahre später fällt Lewis‘ Debüt auf einem Flohmarkt in Edmonton dem Plattensammler Jon Murphy in die Hände. Er zeigt seine Entdeckung seinem Kollegen Aaron Levin, der „L’Amour“ auf seinem Blog Weird Canada postet. Das Rätselraten um das Phantom Lewis beginnt, doch die biografischen Hinweise sind rar gesäht. Wulf soll ein Börsenmakler gewesen sein, eine Affinität für Models gehabt und in einem komplett in Weiss eingerichteten Appartment gelebt haben. Mit „Romatic Times“ taucht schliesslich ein zweites Album auf, für das sich der Künstler den Nachnamen Baloue zugelegt hat. Doch alle Versuche, den Urheber ausfindig zu machen, scheitern.

LewisAuch das Label Light In The Attic konnte im Rahmen der Rercherchen für die Reissues der beiden Alben kein Licht ins Dunkel bringen und versprach bei der Wiederveröffentlichung des Debüts die Tantiemen dem Künstler auszubezahlen, sollte sich dieser melden. Die Geschichte war zu gut, um wahr zu sein und man glaubte fast schon an einen Hoax, doch Anfang August, kurz vor der Wiederveröffentlichung des zweiten Albums, haben die Labelgründer den Künstler schliesslich in Kanada ausfindig gemacht. Wulf scheint jedoch nicht daran interessiert, aus seiner Wiederentdeckung Kapital zu schlagen. Auch wenn seine Geschichte an „Searching For Sugarman“ erinnert und nicht minder filmreif ist, scheint ein Comeback wie jenes von Sixto Rodriguez ausgeschlossen.

Lewis‘ Musik wäre für die Konzerthallen dieser Welt ohnehin zu intim. Seine fragilen Songs wollen nicht so recht zu seinem selbstbewussten Playboy-Image passen. Egal, wie laut man diese Musik aufdreht, sie bleibt so leise als würde sie sich jeden Moment in Luft auflösen. Die Stimme ist nicht mehr als ein gehauchtes Murmeln unverständlicher Silben. „L’Amour“ klingt so verhuscht als hätte Arthur Russell sein elektrisches Cello gegen eine akustische Gitarre eingetauscht. Der opulentere Nachfolger „Romantic Times“ weckt mit einem kitschigen Saxofon Erinnerungen an Twin Peaks. Das Rätsel um die Identität von Lewis ist gelöst, doch seine Musik bleibt ein Mysterium.

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