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Willis Earl Beal: Herz, Kraft, Seele, Angst

Von    |   17. September 2013   |   2 Kommentare

Auf „Nobody Knows.“ singt Willis Earl Beal Spirituals gegen die kollektive Amnesie und zündelt in der persönlichen kleinen Hölle, die in jedem von uns steckt.

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Als sich die Spirituals formten auf den Lippen geschundener Sklaven, war die Speerspitze des Widerstands geboren, welche sich nichts als dem Schutz des Menschlichen selbst widmete. Die Auflehnung, die Revolte, die Handlung entgegen der herrschenden Zustände – viel später erst erfolgten erste Schläge, welche gezielt die Fesseln zerschlagen sollten. Diese eindringlichen Lieder eröffnen eine Vorstufe der Formierung und des Gewahr-Werdens. Es geht dabei um die Wahrung des ureigenen Selbst, der letzten Bastion vor der vollständigen Vernichtung des Menschen im Menschen.

Was zurückbleibt, wenn Willis Earl Beal seine Spirituals singt, ist eine im Angesicht von Gott und Teufel erspielte Hoffnung. Mit keiner Note gibt sie sich aber dem Flehen hin. Sie erleichtert dem Schwimmenden keinen seiner Züge dem rettenden Ufer entgegen. Ungnädig beschwert sie ihm die Füsse, dass er gegen die Flut mit der Angst vor dem unendlich tiefen Abgrund umso mehr strample.

Zu trocken, um zu weinen, singt Beal. Nicht weil er nicht könnte. Weil es schlicht keine Träne gibt, die nicht längst geweint worden wäre. Und diese trotzige Erkenntnis trägt in sich den Keimling zur Resignation vor der eigenen Misere. Ab da werden ungebundene Kräfte gesammelt zur Auflehnung. Hier ist Heilung möglich. Infernalische, marternde Heilung, die nichts mehr gibt auf die vormals idealisierte Unversehrtheit. Heilung, die ihrer eigenen Idee beraubt ist.

Nach der faszinierenden Lo-Fi-Sammlung auf „Acousmatic Sorcery“ hinterlässt Beal auf „Nobody Knows.“ einen ganz anderen Eindruck seiner Talente. Vor allem seine Stimme ist ein unverwüstliches Werkzeug, mit welchem er in seinen Stücken einen neuen Fokus schafft. „Nobody Knows.“ ist in seiner Direktheit und Ehrlichkeit fast schmerzhaft. Zu verdanken ist das auch der schnörkellosen Produktion des talentierten Rodaidh McDonald. The xx und King Krule oder Bobby Womack und Gil Scott-Heron haben sich bei ihm von Verklärung und Umschweife befreit. In der fadengeraden Unverblümtheit liegt die Stärke dieser Klagelieder. Sie ist zugleich das einzige Versprechen, welches man diesem Willis Earl Beal abnehmen mag.

Zusammen mit SOAK ist Willis Earl Beal am Sonntag, 29. September im Papiersaal in Zürich live zu erleben.


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2 Reaktionen

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