78s has left the building. ¯\_(ツ)_/¯

Botschafter einer neuen Sinnlichkeit

Von    |   14. März 2013   |   1 Kommentar

Wenn nicht alles täuscht, ist Pop im Zuge der Krise sinnlicher geworden. Rhye liefern mit ihrem Debütalbum „Woman“ einen weiteren Beweis dafür.

Layout 1Gut möglich, dass in rauen Zeiten die Sehnsucht nach sanften Klängen wächst. Natürlich ist es eine gewagte These, einen Zusammenhang zwischen der Konjunktur und dem musikalischen Zeitgeist zu vermuten. Dass die Performance im Zuge der Krise an der Börse wie auch im Pop nachgelassen hat, ist jedoch offensichtlich. Choreografien und Bling haben an Bedeutung verloren. Die übersexualisierte Reizüberflutung ist einem sinnlichen Minimalismus gewichen. The XX haben die Unschuld zurück in die Charts gebracht, Lana Del Rey die Romantik und James Blake die Intimität.

Rhye unterstreichen diese Tendenz mit ihrem Debüt „Woman“. Das Album erinnert in seiner Aufgeräumtheit an die Genannten, weckt gleichzeitig aber auch Erinnerungen an Sade. Es ist unmöglich diese Songs zu hören ohne an Mrs. „Smooth Operator“ zu denken. Dies liegt nicht nur an der samtweichen Stimme, die erstaunlicherweise einem Mann gehört, sondern auch an den eigentlich unsäglichen Jazz-Funk-Grooves, die gepaart den richtigen Melodien eben doch ihren Reiz haben.

Rhye verstehen es, den Hörer mit Emotionen einzulullen. Vielleicht liegt es am Cocooning-Effekt, dass Musik dieser Machart zurzeit so viel Anklang findet. Doch es ist ein schmaler Grat zwischen Intimität und Banalität: Während die Zerbrechlichkeit von „Verse“ für Gänsehaut sorgt, wirkt „The Fall“ trivial. Neben Slowdance-Nummern haben Rhye auch ein paar Stücke für die Tanzfläche zu bieten: „Last Dance“ erinnert an Roisin Murphy zu ihren besten Zeiten, noch funkier ist „Hunger“.

Der Kanadier Michael Milosh und der Däne Robin Hannibal verstehen ihr Handwerk sowohl als Produzenten wie auch als Songwriter. Die Stimme von Milosh verleiht ihren eingängigen Songs das gewisse Etwas, den Rest besorgt ein Laptop-Kammerorchester, mit Bläsern, Streichern und Synthesizern. Wie How To Dress Well bieten auch Rhye Schmusesoul in einer entschlackten und entschleunigten Form.

Dem Genre entsprechend kommen die Lyrics der zehn Songs nicht über die Beziehungsebene hinaus. Es geht hier um nichts als die Liebe. Die Lyrics sind denn auch der grosse Schwachpunkt dieses Albums. In den meisten Texten bleibt es bei Plattitüden wie „Let’s make love one more time before you go away“. Auch die Arrangements klingen bisweilen als wären sie nach Schablonen konstruiert. Der Erfolg scheint dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – vorprogrammiert.

[youtube D0xE5iL2mjE]

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