Lana Del Rey: Image gone wrong
Von Mathias Menzl | 26. Januar 2012 | 19 Kommentare
Der grösste Musik-Hype der vergangenen sechs Monate veröffentlicht am Freitag sein Debüt-Album. Was ihr vom Album von Lana Del Rey erwarten dürft, erfahrt ihr hier.
Zu Beginn muss ich festhalten: Ich liebe Hypes, ich liebe gute Marketingkampagnen und ich bin begeistert und freue mich für die Macher, wenn sie aufgehen. Ich bin selber beinahe reingefallen auf die gut geführte Marketing-Kampagne um Lana Del Rey, die im vergangenen Sommmer ihren Anfang nahm (hier nachlesen). Sie war so schön, ich wollte sie einfach glauben, die Geschichte um Lana Del Rey. Die DIY-Videos, das anzügliche Äussere von Del Rey (Dicke Lippe), die ausgezeichneten Promo-Fotos, ihren Künstlernamen, den man zu Beginn natürlich für den bürgerlichen Namen hielt, die Songs, melancholischer Pop in Perfektion, Sex und Trauer paaren sich mit einer fucking Hookline, einfach genial. Es gibt wenige, die „Video Games“ und „Blue Jeans“ nicht mögen, ja sogar lieben. Ich gehöre zu den ganz grossen Fans.
Doch vorzu begann die Fassade zu bröckeln. Lana Del Rey heisst eigentlich Lizzy Grant und hat 2008 bereits einmal ein Album veröffentlicht, das aber fast niemand zur Kenntnis genommen hat (was nicht heisst, dass es schlecht ist). Ihr Vater ist Robert Grant, ein Domain-Händler und schwerreicher Mann, womit sich ihre „Aufgewachsen-in-einem-Trailer-Story“ ziemlich unglaubwürdig anhört. Ihre Produzenten sind Eg White und Guy Chambers, der eine steckt hinter Adele und Duffy, der andere hinter Hits von Robbie Williams. Aussagen wie „Lana Del Rey came from a series of managers and lawyers … who wanted a name that they thought better fit the sound of the music” haben mich ebenfalls zweifeln lassen. Mittlerweile heisst es, dass sie falsch zitiert wurde.
Halb so wild, dachte ich mir. Sie ist ein Produkt wie jedes andere auch, klar, sonst wäre sie nicht in die Hitparaden eingestiegen und hätte mittlerweile in der Schweiz Goldstatus, mit melancholischem Pop, der sonst nur ansatzweise in Form von Schlager alias Florian Ast und Francine Jordi Einzug hält in den hiesigen Charts. So haben auch die entlarvenden Erkenntnisse nicht an meiner Begeisterung für „Video Games“ und „Blue Jeans“ gerüttelt, und an der Marke Lana Del Rey. Ich wollte dem Blogger-Backlash nicht verfallen, der bereits Ende Jahr über Lana Del Rey hinweggezogen ist. Warum? Weil „Blue Jeans“ und „Video Games“ einfach verdammt gute Songs sind und im Wochenrhythmus Remixes und Coverversionen auftauchten, welche die Tracks immer wieder von Neuem aufleben liessen, und weil die Ästhetik des Produktes Lana Del Rey überzeugte: Das erste Instagram-Foto, das Musik machte.
Aber dann der vorläufig zweitletzte Akt: Nach den DIY-Vintage-Videos zu „Video Games“ und „Blue Jeans“, wurde Anfang Dezember das Video zum Song „Born To Die“ veröffentlicht. Im Gegensatz zu den verdammt sympathischen Videos, die man schon kannte, sieht man sie in „Born To Die“ sitzend auf einem Thron, mit einer Krone aus Rosen, flankiert von zwei lebenden Tigern. Das Video stammt von Woodkid. Natürlich total überinszeniert. Das mag durchaus auch seinen Reiz haben, es passt einfach nicht zum Image, das Lana Del Rey mit „Video Games“ und „Blue Jeans“ verkörpern sollte, und das ich von ihr bestätigt haben möchte. In die gleiche Richtung ging dann ein weiterer Track – „Off To The Races“ -, dem die trashige und gleichzeitig glamouröse Grundstimmung von „Blue Jeans“ und „Video Games“ total abging, und der als beliebiger Up-Tempo Mainstream-Pop-Song mit überkandidelten Streicherteppichen auftrumpfen wollte.
Und nun der letzte Akt: Ich liebe „Video Games“ und „Blue Jeans“ nach wie vor, ich mag den Song „Born To Die“. Ich wundere mich nach ein paar Hördurchgängen vom Album „Born To Die“ nun aber stark über alle anderen Tracks auf dem Album. Es sind seichte, durchschnittliche Pop-Nummern, aufgeblasen mit zu viel Streichern und unterlegt mit unmotivierten Electro-Beats, die ich nicht von Lana Del Rey hören möchte. Ich möchte eine desinteressierte Stimme hören, unterlegt mit melancholischem Tiefgang, dezenten Streichern und verträumten Samples, eine Mischung, die Trash und Glamour ins Gehirn zaubert. Verrucht-liebliche Nummern. Etwas das mich runterzieht und gleichzeitig high macht. Nicht eine depressive Britney Spears, die versucht, sich bei David Guetta anzubiedern. Aber genau diesen Eindruck hinterlässt das Album „Born To Die“. Es scheint als habe ihr neues Label Interscope/Universal alles zerstört, was speziell war an Lana Del Rey. Schade, denn ich möchte sie eigentlich gut finden und lieben können. Wenigstens kann mir „Video Games“ und „Blue Jeans“ niemand mehr nehmen. Es hätte dabei bleiben sollen.
19 Reaktionen
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01:35 Uhr, 26.1.2012, Link
Ich stimme dir zu, Mathias. Video Games und Blue Jeans sind wahnsinnig gute Songs und werden noch lange bleiben (Video Games hat das Zeug zum zeitlosen Klassiker).
Ich habe schon in ganz frühen Posts geäussert, dass ich da jemand Anderen dahinter vermute, und das hat sich leider bestätigt.
Wahnsinn, dass der Zauber trotz allem funktioniert und auch mich gepackt hat, dieses White-Trash Märchen. Verdammt gut inszeniert, verdammt gut gemacht, und schlussendlich ist der Plan voll aufgegangen.
Das Album lässt mich ein wenig irritiert zurück. Mal sehen, wie es einige Durchgänge später aussieht.
Alles in Allem war und ist Lana Del Rey eine verdammt gute Story, hat zwei Songs im Gepäck, wofür andere töten würden. Und immerhin hat uns ihre Geschichte beinahe mehr als ein halbes Jahr unterhalten. Und das ist ja, was gute Popmusik eigentlich soll: Geschichten erzählen und unterhalten.
Mal schauen, was da noch kommt.
07:47 Uhr, 26.1.2012, Link
Da ist nicht mehr viel hinzuzufügen. Die restlichen Tracks sind leider nur noch ein Flickwerk musikalischer Banalitäten.
11:05 Uhr, 26.1.2012, Link
Stereogum sagt hallo ;)
11:09 Uhr, 26.1.2012, Link
Schön, dass da jemand meine gemischten Gefühle teilt :D
http://lebensstreik.blogsport.de/2012/01/25/dont-believe-the-hype/
11:59 Uhr, 26.1.2012, Link
Scheint mir eine doch sehr lange Rechtfertigungsrede von Mathias Menzl dafür zu sein, dass er reingefallen ist. Es gehört zwar zur Popwelt, dass sie aus mehr Schein als Sein besteht, aber ausgerechnet White und Chambers auf den Leim zu kriechen, dies schmerzt! Spätestens als auch der Englische Premier David Cameron von ihr zu schwärmen begann, hätte es allen klar werden müssen: Lana Del Rey’s Hintermänner stammen aus der konservativsten Ecke.
Es ist keine Schande, aber werden die Wunden heilen?
13:17 Uhr, 26.1.2012, Link
wohl nicht. vorallem wenn man bedenkt, dass ihr vater domina-händler ist. das geht ja gar nicht.
14:57 Uhr, 26.1.2012, Link
da hat guy chambers aber ordentlich reingefunkt. klingt zwischendurch 1:1 wie lady gaga. radiopop halt. dark paraparaparadise wird 100%ig in den itunes charts auftauchen, und dafür ists scheinbar auch gemacht.
20:24 Uhr, 26.1.2012, Link
Ihr tut mir alle leid… Schluchz-jammer-geheul
23:47 Uhr, 26.1.2012, Link
„As of 2011, the closest thing we have to MTV’s old „buzz bin“ is music blogs – entities with the exact same vested interest in mainstream cool-hunting that your television once had. The only problem is that the people who read, write, and obsess over them are hyper-aware of what a tempting audience they are: They’re sensitive to pandering and „fakeness,“ wary of being used to piggyback toward another audience. Appeal to them successfully, and long arguments about music-industry machinations and „authenticity“ are more or less inevitable.“
http://pitchfork.com/features/why-we-fight/8679-tk/
23:57 Uhr, 26.1.2012, Link
mein englisch suckst. kannst du das übersetzen? so ein bisschen? würde mich noch interesssssieren. besten dank.
00:12 Uhr, 27.1.2012, Link
@menzl: warum soll eine plattenfirma in eine indie-sängerin (lana del rey)investieren, wenn die chance grösser ist, dass die pop-sängerin (lana del rey)mehr Gewinn erzielt? hier geht es doch überhaupt nicht um die musik oder das video. das ist alles nebensache. hier ist doch alles kalkuliert, von anfang bis schluss, in ein paar monaten wird die schöne frau verschwinden, und niemand wird je wieder von ihr hören. und wenn du schreibst „Doch vorzu begann die Fassade zu bröckeln“, dann bist du entweder sehr naiv oder du arbeitest erst seit kurzem als musikjournalist (was wieder auf das selbe herausläuft).
01:56 Uhr, 27.1.2012, Link
hach, mir ist das sowas von scheissegal ob jetzt del rey grösserer kommerz als gaga oder nur ein fertigprodukt ihrer manager ist; ihre zwei songs sind einfach nur der hammer. da kann ich auch mal beide augen zudrücken und einfach nur die musik geniessen.
08:31 Uhr, 27.1.2012, Link
@zotto: Ich liebe gute Kampagnen und gute Songs. Alle Hater und Trolle haben natürlich schon vor zwei Jahre gewusst, dass Lana Del Rey ein Produkt ist und dass sie nicht singen und live performen kann. Ich habs erst im Laufe der Zeit rausgefunden. Im Sommer waren lediglich zwei Artikel über sie im Umlauf und die beiden Videos. Da war noch nicht klar wie authentisch das alles war. Der Punkt ist aber: Wann hat der Takeover angefangen? Wann ist vom eigenständigen Künstler eine Produkt entstanden. Das ist die grosse Frage. Und der Text oben geht aus meiner sehr subjektiven Perspektive auf diese Frage ein – ohne sie abschliessend beantworten zu können, weil uns dafür die Insights fehlen. Der Höhpunkt: Das durchorchestrierte Pop-Album, das wir jetzt haben. Der Erfolg von Del Rey gründet aber auf dem obskuren, undurchsichtigen Element. Das geht dem Album aber ab, bis auf „Video Games“ und „Blue Jeans“. Meiner Meinung nach ein Fehler der Kampagnenführer und Marketingstrategen: Ein Indiepflänzchen züchten zu wollen (wenn dem so wahr) – das ja so auch schon Erfolg hatte, denn die Songs sind schon im August in die Charts eingestiegen – und das dann innert kürzester Zeit auf Mainstream-Pop-Niveau zu hieven, um wie du schreibst noch mehr Erfolg zu haben. Du sagst, dass sie schnell wieder verschwinden wird. Wer weiss, vielleicht funktionierts ja aber auch. Die vordergründige Authentizität beizubehalten, wäre vielleicht die bessere Strategie gewesen und von längerfristigerem Erfolg gekrönt gewesen. Aber das wissen wir jetzt noch nicht. Fakt ist: Viele werden sich jetzt von Del Rey abwenden. Ob genug Neue hinzukommen, wird sich zeigen müssen.
10:07 Uhr, 27.1.2012, Link
diese musik ist für die itunes-charts gemacht. so wie es auch coldplay gesagt hatten, dass sie irgendwas an ihrer musik verändern mussten, um da rein zu kommen… insofern ist das aber schon noch clever, zuerst mit dem obskuren in alle blogs kommen und dann wenn man in aller munde ist fett den chartsteller zu präsentieren.
10:23 Uhr, 27.1.2012, Link
…dann bleibt uns halt Heather Nova!
12:56 Uhr, 27.1.2012, Link
ich hab das Album nun auch durchgehört. Video Games ist für mich der beste Track 2011. Der Rest? Nichts mehr als lauwarme Luft. Schrecklich – für mich ist die Frau gestorben.
23:05 Uhr, 28.1.2012, Link
kaputte scheisse, wie kann man mit 25 schon so veroperiert aussehen.
13:02 Uhr, 29.1.2012, Link
Für so ein Popalbum an und für sich ganz nett, wäre da nicht im Vorfeld Video Games gewesen, welches die Erwartungen in die Höhe schnellen liess. So bleibt derzeit beim Hören irgendwie ein bitterer Nachgeschmack übrig….
16:16 Uhr, 31.1.2012, Link
Nach Madonna, Britney Spears, Lady Gaga, Christina Aguilera jetzt neu auch Lana Del Ray!
Auch dieses Video spielt mit der Freimaurer-Illuminaten-Ästhetik. Rosenkranz im Haar = (Symbol der Jungfräulichkeit – Die 15 Verheißungen der Rosenkranzkönigin), Tieger, Tempel, US-Flage…
Geld regiert die Welt – Sektensound!!!