Platte der Woche: Grinderman – Grinderman 2
Von Nina Wyss | 21. September 2010 | 0 Kommentare
Grinderman melden sich mit einem fulminanten zweiten Album zurück und können es nicht nur ein bisschen länger, sondern auch besser.
Sie konnten einem leid tun. Im Jahr 2006 gründeten Nick Cave und drei seiner Bad Seeds-Kollegen die Band Grinderman und gaben sich in der neuen Formation hörbar darum bemüht, vom anderen Geschlecht flachgelegt zu werden. Wegen ausbleibender weiblicher Resonanz musste sich das Quartett auf seinem Debütalbum dann allerdings vor allem in einer Disziplin üben – in Enthaltsamkeit. Und dementsprechend hat sich die Platte auch angehört: ein hingerotztes Ejakulat, in manischer Gebärde quick’n’dirty rausgenudelt.
Seit letzter Woche steht nun „Grinderman 2“ in den Regalen und präsentiert sich deutlich souveräner als der Vorgänger. Das hektische Fieber, dem Warren Ellis, Martyn Casey und Jim Sclavunos auf dem ersten Release erlegen sind, ist etwas abgeklungen und die Band weiss die neu gewonnene Gelassenheit zu nutzen. Cave und seine Mitmusiker nehmen sich auf ihrem Zweitling viel eher die Zeit zu einer Einheit zusammenzuwachsen und finden spielend zu einem druckvolleren, vielseitigeren Sound.
In Sachen Rotzigkeit und Tempo können einzig der Albumopener und der in Metal-Montur daherkommende Song „Evil“ mit dem Debüt mithalten. Ansonsten geht „Grinderman 2“ zwar mit derselben spontanen Energie, gesamthaft aber deutlich entspannter zu Werke. „When My Baby Comes“ etwa brodelt minutenlang langsam vor sich hin und entfaltet erst mit der Zeit seine volle psychedelische Dröhnung, der schillernde Gospelstomper „Palaces of Montezuma“ bräuchte sich auch in der Bad Seeds-Diskografie nicht zu verstecken und die Gitarre in „Bellringer Blues“ zollt rückwärts den Stones Respekt.
Wie gewohnt ist Cave für die Lyrics zuständig und stellt sicher, dass der sexuelle Heisshunger der Band diesmal nicht ungestillt bleibt. Er mimt den selbstlosen Verehrer des weiblichen Geschlechts, gleitet dabei immer wieder in dunkle Obszönitäten ab und nimmt sich, was er will. In seiner Rolle als Charmeur oder als Lustmolch offenbart er von Song zu Song kränkere Züge und ungezügelte Begierde ist bei weitem noch die angenehmste Charaktereigenschaft, die er neben Boshaftigkeit, Neid oder einer unbändigen Freude am blanken Terror an den Tag legt.
Und wenn Cave im dreckigen Blues von „Kitchenette“ dazu anschickt eine Hausfrau aus ihrem grauen Alltag zu befreien, dann hört sich das – gewürzt mit einer ordentlichen Prise Humor – so an: „What’s this husband of yours ever given to you / Oprah Winfrey on a plasma screen / and a brood of jug-eared buck-toothed imbeciles / the ugliest fucking kids I’ve ever seen / Oh baby, I want you„. Seine wahre Genialität aber offenbart der Songwriter quasi zwischen den Zeilen: „It’s getting hard to relax“ raunt er immer wieder und es braucht die Madman-Qualitäten eines Grindermans um diesen einen Satz derart mit Ungeduld, Missgunst und Unberechenbarkeit aufzuladen, dass es in der „Kitchenette“ zunehmend ungemütlich wird.
Grinderman – Kitchenette
Grinderman – Palaces of Montezuma
Grinderman – Bellringer Blues
> Grinderman live in der Schweiz:
4.10., Les Docks, Lausanne
5.10., Volkshaus, Zürich
> weitere Tourdaten über Myspace
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