78s has left the building. ¯\_(ツ)_/¯

Chevalac Recordings: Lieber Time Out als Burn Out

Von    |   9. Juli 2010   |   4 Kommentare

Die Nachricht, die uns heute aus Littau erreichte, ist leider keine Seltenheit: Die Chevalac Recordings reihen sich in der Vielzahl kürzlich geschlossener Aufnahmestudios auf.

Tobi Gmür ist seit rund 20 Jahren eines der unverzichtbaren Pfeiler der Luzerner Musikszene. „Urgestein“ scheint hier kein angebrachter Begriff zu sein: Mit seiner Band Mothers Pride, die im letzten Jahr ihr sechstes Album veröffentlichte, ist er dafür schlicht noch zu aktiv, mit seinem Studio Chevalac Recordings zu präsent.

Seit dreieinhalb Jahren profitieren Künstler bei ihren Aufnahmen in Littau von Gmürs grosser Erfahrung. Kaum ein Luzerner Name hat seine Spuren hier nicht hinterlassen: Baby Genius, Alvin Zealot, Count Gabba und Dans La Tente sind nur wenige Beispiele derjenigen, die den Chevalac-Stempel auf ihrem erfolgreichen Debüt tragen.

Wie so oft sind jedoch solche Erfolge nicht die, mit denen man für finanzielle Erhaltung sorgt. Ende Juli schliessen die Pforten zu Tobi Gmürs Studio. Er erklärte gegenüber 78s seine Gründe: „Zusammen mit Guido Röösli hatten wir uns bei der Gründung der GmbH in erster Linie vorgenommen, nicht auf Quantität, sondern auf Qualität zu setzen. Das Ziel war, unsere Erfahrung weiterzugeben und die Bands umfassend zu betreuen. Aus wirtschaftlichen Gründen mussten wir aber beginnen, jede Anfrage anzunehmen, was deutlich an unseren Kreativitäts- und Energiereserven kratzte.“

Gegenüber 20 Minuten liess Gmür ausserdem scharfe Kritik gegenüber der Luzerner Kulturförderung, dem Fuka-Fonds, aufblitzen. Das Gespür für qualitativ vielversprechende Bands fehle da komplett. „Das kommt etwas heftig rüber, ich meine das aber tatsächlich so. Mit diesem „Giesskannenprinzip“, nach dem praktisch jeder Künstler willkürlich ein kleines Stück des Kulturgelderkuchen abbekommt, erreicht man nichts. Man muss sich Zeit lassen, um die Qualitäts-Acts herauszufiltern und diese zu fördern.“

Die Aufnahmen mit Gmür als Produzent sind von Künstlern stets als positive Erfahrung wahrgenommen worden. Dennoch bleibt der Produzent bei seiner Entscheidung: Er braucht ein Produktions-Time Out. „Die Entwicklung der Luzerner Musikszene in den letzten dreieinhalb Jahren hat mich oft erfreut – aus dieser Stadt ertönt auch sehr gute Musik. Dafür muss man allerdings oft über den Indierock-Tellerrand hinaus gucken können. Zeitweise hat sie mich aber auch frustriert. Vielen junge Bands fehlt es an Selbstkritik, sie geben sich mit viel zu wenig zufrieden und suchen bei Misserfolgen die Ursachen nicht bei sich. Ich brauche davon vorerst mal eine Pause“, so der Kopf von Mothers Pride.

Die Räumlichkeiten zum Studio werden fürs Erste nicht verkauft. Sie bleiben Künstlern zum Proben erhalten. Tobi Gmür lässt sich für die Zukunft noch vieles offen. „Vielleicht wird mich die Leidenschaft bald wieder packen. Falls es so wäre, würde ich mir aber sicher mehr Zeit für die einzelnen Projekte nehmen.“

4 Reaktionen

  1. #1 Goldon Records

    16:49 Uhr, 9.7.2010, Link

    Den Entscheid von Tobi bedauern wir sehr, schliesslich war er lange unser Geschäftspartner und zuletzt sozusagen unser Hausproduzent. Mit einem Time-Out auf die unbefriedigende Situation zu reagieren, ist mit Sicherheit der richtige Entscheid. Wir wünschen uns allerdings sehr, dass wir Tobi für ausgewählte Produktionen wieder hinter die Regler kriegen. Auf sein Wissen als Musiker, auf sein Produzenten-Know-How sowie auf seine angenehme und offene Art kann die Luzerner Szene nämlich nur sehr schwer verzichten.

    Übrigens entstehen vor der Schliessung noch einige Zückerchen: COUNT GABBA ist kurz vor Fertigstellung seines zweiten Albums und DANS LA TENTE produzieren momentan eine Vinyl-7″. Vielleicht stimmen nicht zuletzt diese Produktionen Tobi demnächst um. Das wäre uns allen zu wünschen.

  2. #2 Gisi

    17:35 Uhr, 9.7.2010, Link

    an dieser stelle ein aufruf an alle welche sich zum kulturmanager oder ähnlichem ausbilden lassen und noch ein thema für eine projektarbeit oder ähnliches brauchen. tobi und ich würde es mal wundernehmen wie die kulturförderung in den grösseren schweizer städten gehandhabt wird. stichwort: giesskannenprinzip, gezielte förderung, fonds, billetsteuer.
    falls ihr interesse habt oder jemanden kennt: mail an info@schuur.ch.
    man dankt.
    und: rock on, tobi!

  3. #3 ernst david

    22:00 Uhr, 9.7.2010, Link

    komm nach winti, junge!

  4. #4 marygold

    11:05 Uhr, 10.7.2010, Link

    farewell my friend and let’s hope it is just a break and not a break up :-(

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