78s has left the building. ¯\_(ツ)_/¯

Where the hell is Bad Bonn? Far out!

Von    |   1. Juni 2010   |   2 Kommentare

Die 20. Bad Bonn Kilbi ist Geschichte. 78s war in Düdingen vor Ort.

Natürlich waren wir etwas neidisch auf unseren Kollegen Menzl, der am Primavera Stars und Sternchen am laufenden Band zu Gesicht bekam. Trotzdem waren wir drei uns am Ende einig: Die Bad Bonn Kilbi ist das beste Festival der Schweiz und bleibt dies hoffentlich allen finanziellen Schwierigkeiten zum Trotz. In Düdingen gibt es kein Halligalli, kein Anstehen und keine lästigen Überschneidungen, dafür Barbecue inmitten von VW-Bus-Wagenburgen, Kuhglockenidylle, Stauseeromantik und genügend Zeit, um die musikalischen Leckerbissen auch zu verdauen.

Donnerstag (Ralph Hofbauer): Die Vorfreude auf den Wüstenrock von Tamikrest & Dirtmusic war gross, doch leider degradierten die Amerikaner aus dem Walkabouts-Umfeld ihre Mitmusiker aus Mali mit imperialistischer Pose zur Backing-Band. So blieb der Gig von Atlas Sound mein Highlight des Tages, das auch die Pitchfork-zertifizierten Dum Dum Girls nicht toppen konnten.

Im letzten Jahr sah ich Bradford Cox am Primavera mit Deerhunter das Stadion rocken. Ein Jahr später teile ich den Mann anstatt mit mehreren 1000 mit knapp 200 Leuten. Trotzdem bleibt der spindeldürre Songwriter für den Grossteil des Publikums unsichtbar, denn Cox sitzt und das kleine Bad Bonn ist rappelvoll. Fesselnd war der Auftritt von Atlas Sound trotzdem. Ein fliegender, aus sphärischen Gitarrenloops geflochtener Klangteppich, über den eine ätherische Stimme schlafwandelt, die gesungen so anders klingt als gesprochen.

Freitag (Marco Durrer): Von der Sonne, sattem Feldgrün und Grillgebrutzel empfangen wie ein guter Freund. Deswegen erst bei Rother-Shelley-Mullan (Neu!, Sonic Youth, Tall Firs) vor der Bühne, die mit hypnotischer Dynamik ein superbes Stück Krautrockgeschichte an die Kilbi bringen. Interessante Geschichten mögen auch die weisen Alten des Sun Ra Arkestras durch ihre Instrumente blasen, der glamouröse Auftritt bleibt aber wirr und farblos, und vertreibt selbst den Vollmond hinter schalldämpfende Wolken. Im Haus sorgen dafür Polvo mit schweisstreibend vertrackten Riffs für tropfende Wände.

Etwas süsslicher rieselt und pumpt zur Geisterstund Hot Chip’s solider ElectroPop durchs neue Zelt und verbreitet phasenweise gar etwas Disco-Romantik. Diese wird aber schon bald vom beachtlich wummernden Set des Bit-Tuners weggeblasen und die letzte Erinnerung an einen Alltag aus dem Kopf gehämmert. Nach spannendem musikalischem Zickzack drei Mal stolpern und man liegt wieder im Zelt. Where and how the hell Bad Bonn Kilbi is? Far out!

Samstag (Nina Wyss): Ein Kontrastprogramm zu den Headlinern Yeasayer, Beak> und Wolf Parade lieferten am späten Samstagnachmittag die in Mönchskutten gehüllten Secret Chiefs 3. Die Band um den ehemaligen Mr. Bungle-Gitarristen Trey Spruance setzt auf cinematischen Surf Sound, der nach wenigen Takten von bleischwerem Death Metal niedergewrestlet wird und in mystischen Ethno-Klängen zu neuem Leben gedeiht.

Diese Band versteht sich blind. Kein Takt bleibt auf dem anderen, wenn Drummer Ches Smith im Wahn auf sein Kit eindrescht. Die vertrackte Kleinteiligkeit im Rhythmus wird von Spruances virtuosem Gitarrenspiel zusammengehalten und egal, welche Art von Instrument er zur Hand nimmt, er spinnt die Saiten zu Gold. Timb Harris verpasst den Kompositionen den letzten Feinschliff. Auf der Violine sägt er ornamentale Muster in den Sound und verleiht ihm indische oder persische Züge. Secret Chiefs 3 vereinen nahöstliche Harmonien mit westlicher Durchschlagskraft und verwandeln so traditionelles musikalisches Erbe in progressive Avantgarde.

2 Reaktionen

  1. #1 Andreas

    15:36 Uhr, 2.6.2010, Link

    Aah, Herr Hofbauer spricht mir aus der Seele, sowohl mit Atlas Sound als auch mit der imperialistischen Dirt Music Geste, ich dachte lange, das es vielleicht nur mir so unangenehm auffiel.
    Nur bleibt das beste Festival der Schweiz ja doch immer noch das For Noise :-)

  2. #2 adi

    17:36 Uhr, 2.6.2010, Link

    Und dann gilt es für den Donnerstag noch das fantastische Konzert von Health freundlicherweise zu verdanken. Das war ein grosser Wurf!

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