Primavera Sound 2010: Avantgarde trifft Urgesteine
Von Mathias Menzl | 31. Mai 2010 | 18 Kommentare
Zehntausende Musikfans und 240 Bands und Artists aus aller Welt haben am Primavera Sound Festival in Barcelona der guten und besseren musikalischen Unterhaltung gefrönt. Das Fazit: Die Rock- und Pop-Urgesteine haben es der jungen Indie-Avantgarde nicht leicht gemacht.
Wilco, Pixies, Pavement, Tortoise, The Fall, Built to Spill, The Pet Shop Boys, Endless Boogie und Sunny Day Real Estate heissen die (Indie)Rock- und Pop-Urgesteine, welche das diesjährige Primavera Sound in Barcelona musikalisch dominiert haben. Die junge Avantgarde hat mehrheitlich ihre Schuldigkeit getan, aber nicht immer mit Bravour. Überzeugen konnten von den aufstrebenden Acts nur wenige. Dazu gehörten The Drums (leichtfüssig), Beach House (einnehmend und erhaben), Fuck Buttons (treibend), Japandroids (dampfwalzig), Ganglians (herzzerreissend), Panda Bear (schön schräg), Sleigh Bells (rabiat), Surfer Blood (cool), Spoon (einfacht nur gut) und die Lokalmatadoren Delorean (psychedelisch), die für das vielleicht beste Konzert der drei Tage besorgt waren.
Neben den Highlights gab es auch einige, eher überraschende, Lowlights. Grizzly Bear, Broken Social Scene und The xx blieben glanzlos, The Big Pink waren geradezu lasch, Florence and The Machine hörte sich zwar für zwei Songs schön an, danach nervte ihr Sirenengesang und ihre Uriella-Tanz-Performance mehr als dass die Darbietung zu überzeugen vermochte. Völlig Schiffbruch erlitten Real Estate, Dum Dum Girls, Atlas Sound und Best Coast, welche ihre Vorschussloorbeeren nicht bestätigen konnten.
Überhaupt hat die diesjährige Ausgabe des vielleicht besten Festivals der Welt etwas an der ausgeprägten Indie-Lastigkeit zu beissen. Electronica und Hip-Hop waren dieses Jahr stark untervertreten. England und die USA stellten den Grossteil der Bands. Vielleicht hat diese Konzentration zu einer gewissen Farblosigkeit und Eindimensionalität ihr Übriges beigetragen.
Nichtsdestotrotz hat das Primavera Sound wieder viel Spass gemacht. Das Wetter (gut) und die Organisation (reibungslos; eine Absage und eine Programm-Verschiebung) haben ihre Aufgabe ebenfalls ausserordentlich zufriedenstellend erledigt. Das Fazit der Organisatoren für die zehnte Jubiläumsausgabe fällt darum auch sehr positiv aus. Mehr als 170 Veranstaltungen gingen dieses Jahr ohne Zwischenfälle über die Bühne und die Hochkonjunktur von Indie Rock bescherte dem Primavera einen beachtlichen Zuschauerrekord von täglich 30’000 bis 35’000 Besuchern. Mit den diversen Rahmenveranstaltungen im Club Apollo, dem Parc Juano Miro und diversen Fnac-Verkaufsstellen wurde schliesslich die magische 100’000er Grenze geknackt.
Der Mix zwischen mediterranem Lebensgefühl, guter Musik, architektonischem Futurismus und dem vielleicht besten Festival-Publikum der Welt hat erneut sehr viele Bands ins Schwärmen gebracht, was wiederum ihren Performances zugute kam und aufs Publikum übersprang. Die Spielfreude der Acts ist am Primavera sonderlich ausgeprägt. Allen voran haben dies Pavement am Donnerstagabend kultiviert. Ihr Auftritt war wohl eines der Highlights. Stephen Malkmus und Co. waren witzig, charmant, ironisch, rotzig und unglaublich professionell. Das beste Festival der Welt und die beste Band der Welt haben sich gefunden und sofort gegenseitig ins Herz geschlossen.
Zum Schluss bleiben zwei Dinge: fröhliche Erschöpfung und die Vorfreude aufs nächste Jahr.
18 Reaktionen
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11:40 Uhr, 31.5.2010, Link
Meine Highlights: The Fall, Superchunk, Pixies, Pavement, Sleigh Bells, The Drums, King Khan, Pet Shop Boys, Los Campesinos, Majaaa Lazaaaaaaaaa.
Entäuschend: The XX, Dum Dum Girls, Best Coast, Wire
Fürchterlich: Uriella and the Machine.
12:19 Uhr, 31.5.2010, Link
Ich fand ja Wilco sooooo langweilig. Die spielen dort jedes Jahr …
12:29 Uhr, 31.5.2010, Link
al brecht: exakt! :-)
charlatans auch spitzenmässig. wenn ich da an frühere konzerte denke…
15:27 Uhr, 31.5.2010, Link
Ui, die Dum Dum Girls haben offensichtlich gerade einen Negativlauf. Toller Artikel. Wird es sowas über Bad Bonn noch geben?
17:23 Uhr, 31.5.2010, Link
Vielleicht der vorläufige Höhepunkt der vielleicht meistgebrauchten Floskel auf 78s? ;) Ansonsten nähme mich wunder, inwiefern Atlas Sound Schiffbruch erlitt. An der Kilbi eines der Highlights für mich.
19:51 Uhr, 31.5.2010, Link
@raphi, da kann ich nur eines sagen: vielleicht. Atlas Sound war am Primavera etwas unglücklich auf der soundmässig schlechtsten Bühne programmiert und bei Tageslicht. Ausserdem war meine Erwartungshaltung alles drin, ausser ein Akkustikset. In einem kleinen Club (kleine Bad Bonn-Bühne?), in intimer Atmosphäre, hätte ich mir das durchaus gut vorstellen können. Ist vielleicht etwas hart, ihn dann als Schiffbrüchigen zu bezeichnen, aber der Sound kam einfach nicht rüber, die Songs zündeten nicht. All das kann ich vom Album nicht behaupten. Ich liebe Atlas Sound, aber am Primavera war das so leider nix.
20:31 Uhr, 31.5.2010, Link
Danke für die netten Ausführungen, schade für den netten Herrn Cox. Schön allerdigns, dass in diesem speziellen Fall die Quantität des Primavera Sound die Qualität der Kilbi nicht ausstechen konnte.
20:37 Uhr, 31.5.2010, Link
suuuuuuuuperchunk, die hätt ich auch sehen wollen… gab’s neue songs? fokus auf einer bestimmten schaffensphase? oder einfach ein best-of-set?
20:53 Uhr, 31.5.2010, Link
@jdw: Das war so langweiliger Sunshine-Surfersound. Fast so langweilig wie Wilco ;-)
21:49 Uhr, 31.5.2010, Link
@jdw, schwerpunkt neunziger jahre. erstes lied von „on the mouth“ (name vergessen) mit dem sänger von les savy fav.
23:58 Uhr, 31.5.2010, Link
„precision auto“ heisst der song. macht sinn, les savy fav haben den ja auf dem merge jubiläumssampler gecovert.
und al brecht: auf deine provokation steig ich gar nicht erst ein, meine liebe zu superchunk kennt keine grenzen!
01:55 Uhr, 1.6.2010, Link
Spoon als aufstrebender Act. Schön. Wilco ist da mit gleichem Gründungsjahr schon Urgestein ;). Aber, danke vielmals für die Berichterstattung, ich würde da nur zu gerne mal hin.
(PS zum xten: Lassen sie doch die Superlativen, Herr Menzl. Weil: „Das vielleicht beste Festival der Welt“ beisst sich mit „Das beste Festival der Welt“. Überhaupt stechen diese Behauptungen aus dem ansonsten von schönem -in angenehmen Mass auch kritischen- Enthusiasmus getragenen Text hervor. Aber das hatten wir schon…)
PS2: Best Coast waren in Bern dann scheinbar super. Vllt. passen die trotz Beach-Musik einfach besser in einen dunklen Club? Oder wars was anderes?
08:07 Uhr, 1.6.2010, Link
@rockyeah: wenn Sie sich an Superlativen stören, lesen Sie doch die AGBs des ETI-Schutzbriefes. Best Coast waren echt schlecht, Bern hin oder her. An einem Festival mit dermassen vielen Superlativen wird der Durchschnitt eben erbarmungslos offen gelegt. Ein Hoch auf den Superlativ.
12:25 Uhr, 1.6.2010, Link
„Das beste Festival der Welt und die beste Band der Welt haben sich gefunden und sofort gegenseitig ins Herz geschlossen.“
Genau wegen solchen Aussagen kann dieser Blog leider nie wirklich ernst und voll genommen werden. Schade um diese Unprofessionalität.
13:57 Uhr, 1.6.2010, Link
@Anke/rockyeah: So ein Scheiss. Immer wieder lassen Leute hier so nen Scheiss raus. Danke für die beiden (achtung Superlativ) überflüssigsten Kommentare unter diesem Artikel.
15:57 Uhr, 1.6.2010, Link
@Anke: Wenn du über Professionalität sprechen möchtest, dann gib bitte deine Identität bekannt (die statische IP verrät zwar deinen Arbeitgeber, aber nicht deine Identität). Dann können wir auf Augenhöhe über Professionalität diskutieren. Ansonsten ist dein Kommentar nicht mehr Wert als Gekritzel auf einer Klowand.
13:50 Uhr, 2.6.2010, Link
ich war am the xx vor den boxen und hab davon heute noch ein wohliges brasskribbeln in den ohren… fand das konzert super, aber vielleicht müsste man ganz vorne in der ersten reihe sein?
fxxk buttons fand ich auch genial. the field vs. orbital war eine brutale überschneidung. wie auch beach house vs. cocorosie, wobei ich dann das beach house konzert genial fand. das neue album ist einfach zu gut, jeder ton sitzt. moderat bleiben mir auch positiv in erinnerung, wie auch boy-8-bit.
fazit: nächstes jahr wieder.
eher mühsam war der streik der französischen bahn vor dem ersten tag, was zu einer abenteuerlichen busfahrt von genf nach barcelona führte… und so gut war das wetter nicht. regen in der ersten nacht… florence & the machine fand ich auch nicht gut, und die pet shop boys haben auch eine weile gebraucht, bis ihre show in fahrt kam.
13:59 Uhr, 2.6.2010, Link
naja, die ständige anonymitätsdiskussion im internet..als ob diese konkrete aussage jetzt einen anderen wert hätte, wenn man wüsste, wer genau dahinter steckt.
superlative sind nicht ernstzunehmen, schon klar. daher sollte man sie wohl auch mit der nötigen portion ironie geniessen und sie als ausdruck von grosser begeisterung verstehen, nicht als absolut fundierte wertung…
zum thema:
atlas sound war am bad bonn tatsächlich grossartig. dass er mit diesem set auf einer riesigen bühne etwas verloren aussehen kann, ist nachvollziehbar.