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Unscharf: Thee Silver Mt. Zion Memorial Orchestra

Von    |   27. April 2010   |   0 Kommentare

Konzerte reizen Sinne, wecken Emotionen und beleben Gedanken – bleiben in Erinnerung aber oft unscharf. Sicher ist, dass Thee Silver Mt. Zion @ Ziegel Oh Lac (Zürich) selbst dunkelste Herz-Ecken mit gleissendem Licht flutete.

Di, 20. April 2010: Gitarren-Prediger Efrim Menuck scheint zwar etwas gereizt, doch grad zum Trotz und auch zu fünft zeigt das kanadische Über-Kollektiv, dass sie die letzten wahren Punks sind. Mit fataler Wucht und Hingabe beschwören sie die hinter idyllischem Schein schlummernde Apokalypse, löschen dogmatisierte Festplatten, beschreiben sie mit eigenem Sinn und entlassen in eine bessere, rein gewaschene Welt.

Man getraut sich schon kaum mehr ne Zigarette zu zünden. Wäh, das stinkt! Vor allem wenn’s rundum keiner wagt. Die Ziischtigsmusig so voll wie selten, ausnahmsweise ebenso ruhig und bedächtig das Publikum. Stöpselverächtern schwappt die Lautstärke über, doch wie gelähmt lässt man’s geschehn. Wenn schon taub werden, dann jetzt.

Eine stimmliche, instrumentale und emotionale Dichte, wie man’s nicht für möglich hält – bis sie immer wieder aufs Neue überwältigt. „There Is a Light“ singen sie und man erinnert sich „some hearts are true“ und übermannt von der rauen Schönheit möcht‘ man alle drücken. Oder sich ausgestreckt auf den Rücken werfen und nie mehr was sagen, um die gereinigte Seel nicht wieder mit Unsinn zu beschmutzen. Im Kopf allerdings wüten die überraschendsten Gedankenstürme, werden ein Dutzend Varianten eigener Existenz verlebt und ein verdammter Roman getextet, der’s nie aufs Papier bringt.

Musik, die aus Chaos ergreifendste Harmonien formt und den Urknall im Schwarzen Loch zündet. Musik wie ein Meteorit, der in kläglichen Erkenntnissen wie Sternschnuppen auf einen niederprasselt und bei dessen Einschlag man nicht weiss, ob nun heulen oder lachen. Musik, die jede Matrix und rationale Fessel sprengt und dem erweiterten Bewusstsein vor Ohren führt, wie die Welt eben ist, aber auch wie sie sein könnte. Musik, die mit der Trauer um eine Million Tote erdrückt und doch wie auf einem fliegenden Pferd über Wolken trägt.

Musik als Frage und Antwort zugleich. Wie man forthin überleben soll draussen in einer Gesellschaft der Oberflächlichkeiten, Intoleranz und Verblendungen. Musik, deren Erhabenheit alles überstrahlt, in den Schatten stellt und so unfassbar Wurscht macht, dass einem der ganze Planet grad kreuzweise den Buckel runterrutschen könnte.

Was auch immer sie spielen, jedes Epos greift via Ohren direkt in die Brust, schüttelt und massiert das Herz und wringt ihm vielleicht gar einen Tropfen pure Liebe aus. Ein Konzert im Schleudergang durchs Wechselbad der Gefühle, danach herrscht angenehme Stille und Leere.

Nur Menucks gut gemeinter Rat klingt leise nach und in die kaputte Welt hinaus: „You should take care of each other, you really should“.

Thee Silver Mt. Zion Memorial Orchestra – 1’000’000 Died to Make this Sound
[audio:http://tapasntapas.com/wp-content/uploads/2008/06/Silver_Mount_Zion-1000000_Died_to_Make_This_Sound.mp3]

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