Das Streben nach Springsteen – Frank Turner im Interview
Von Mathias Möller | 27. März 2010 | 2 Kommentare
Frank Turner spricht im zweiten Teil des Interviews über Vorbilder, mit denen man sich besser nicht vergleicht, und über die Liebe zum Punk.
Am Sonntag spielt der britische Singer/Songwriter im Zürcher Klub Exil sein einziges Schweizkonzert. Bei seinem letzten Besuch in der Stadt hatten wir mit ihm gesprochen. Teil Zwei des Interviews, der erste Teil findet sich hier.
Frank, in vielen Artikeln wirst du in eine Traditionslinie mit so grossen britischen Songwritern wie Billy Bragg gestellt. Wie siehst du das?
Ich bin auf jeden Fall ein Billy-Bragg-Fan, er ist ein grossartiger Songwriter. Aber es liegt nicht an mir, das zu beurteilen. Man sollte sich an solchen Spekulationen gar nicht beteiligen, sonst verschwindet man ganz schnell im eigenen Arsch. Wenn die Leute solche Dinge sagen, fühle ich mich geschmeichelt, aber ich sage dazu besser nichts.
Ich hätte erwartet, dass du dich ein bisschen mehr in der Punkrock-Tradition sehen würdest.
Nein, überhaupt nicht. Punk ist ein sehr wichtiges Element in meinem Leben, aber als ich hiermit angefangen habe, war die Person, an die ich am meisten gedacht habe, Neil Young. Ich will nicht einfach das Akustik-Aushängeschild der Punkszene sein. Zur Zeit ist meine grösste Inspirationsquelle Bruce Springsteen. Das klingt jetzt im besten Fall ambitioniert und im schlimmsten Fall arrogant, aber er ist ein unglaublicher Sänger und Songwriter. Und Performer.
Denkst du da an einen bestimmten Abschnitt seiner Karriere?
„Born to Run“ war super, ich mag die ganzen E-Street-Sachen, die „Seeger Sessions“ waren topp. „Devils & Dust“ und „Ghost of Tom Joad“ sind für mich zwei unterschätzte Springsteen-Alben. Und „Nebraska“ ist natürlich ein Klassiker. Eigentlich alles ausser „Tunnel of Love“ und „Human Touch“. Die White-Soul-Periode seiner Karriere, das war wirklich schlecht.
Was macht Neil Young so besonders für dich?
Er ist einfach ein herausragender Songwriter und Sänger. Ich habe immer Musiker und Bands gemocht, die nicht aus einer Szene kommen. Und Neil Young war so einer. Im Verlauf seiner gesamten Karriere war er immer jemand, der Risiken eingegangen ist, mehr als viele andere mit seinem Standing. Ich meine, ich mache mich über „Trans“ lustig, aber er hats wenigstens ausprobiert! Als Künstler hat es bei ihm nie Stillstand gegeben. Er hat einige herausragende, wirklich von Herzen kommende Songs geschrieben, zu denen man am liebsten Sterben möchte, weil sie so gut sind.
Was wäre das Schlimmste, was dir als Künstler passieren könnte?
Ich glaube, wenn mir die Ideen ausgingen und ich es nicht merken würde. Dann würde ich mich immer nur wiederholen und todlangweilig werden.
Wie wichtig ist es, dass man Risiken eingeht?
Es wäre für mich sehr einfach gewesen, noch ein Album zu produzieren, das genau so klingt wie das davor. Das erschien mir aber redundant. Obwohl ich zur Zeit eher traditionalistisch bin, wenn es um meine Musik geht. Als ich jünger war, habe ich in Bands gespielt, wo wir dachten, wir würden Popmusik neu definieren, Grenzen überschreiten.
Du sprichst von Million Dead?
Million Dead und Kneejerk, die Band, in der ich davor war. Da ging es um sehr konzeptuellen Electro-Hardcore. Das erscheint mir jetzt eher langweilig. Ich bin sehr traditionalistisch. Das klingt jetzt hochambitioniert, aber es wäre schön, wenn ich zeitlose Musik schreiben könnte.
Kannst du dich an den Moment erinnern, als du dich vom Konzept von Million Dead abgewendet hast und angefangen hast, dein eigenes Ding zu machen?
Da gab es keinen spezifischen Moment, aber zu der Zeit, als Million Dead sich getrennt haben, haben wir uns alle gehasst. The politics in the band were really fucking bad. Ich wollte weiterhin touren, aber ich wollte nicht mehr in einer Band sein. Es hat mich fertig gemacht, mit diesen Verhältnissen in der Band umzugehen. Es war zu Anfang fast nicht mal eine künstlerische Entscheidung, sondern eher eine praktische, logistische. Ich habe dann schnell gemerkt, dass ich etwas gefunden hatte, das mir wirklich gefällt. In Million Dead ging es mit dem Songwriting recht langsam voran. Als ich alleine geschrieben habe, hatte ich nach zwei Monaten 15 Songs!
War das so, weil du von niemand anderem abhängig bist?
Ja. Ich kam aus einer Band, in der wir jedes Detail durchgegangen sind, nur damit es schwierig und herausfordernd wird. Danach war es richtig erleichternd, sagen zu können: Dieser Song geht G, C, und D, drei Minuten lang. Der Spirit, die Energie, die Texte sind viel wichtiger. Wichtiger als eine intellektualisierte Musikalität.
Viele Punkrocker wenden sich ja irgendwann dem Songwriter-Tum zu. Man denke nur an TV Smith, Jon K. Sampson oder Chuck Ragan. Meinst du, es gibt da einen gemeinsamen Nenner?
Es scheint mir, als gäbe es zur Zeit diesen Trend in der Punk-Szene. Dass Leute Soloalben aufnehmen. Aber man muss das natürlich positiv sehen: Die Punks werden durch diese stilistische Änderung auch daran erinnert, was ursprünglich das Besondere an Punk war. Wenn man irgendwann die hundertste Band hört, die so wie Jawbreaker klingt, dann wirds langweilig. So kann man leicht vergessen, warum man diese Musik mochte. Die Herangehensweise ist so viel direkter, ein Mann und seine Gitarre. Wenn man es richtig anstellt, kann man dieses Erinnerungsmoment herstellen: Dass die Leute sich erinnern, warum sie diese Musik ursprünglich mochten. Das ist eine gute Sache. Denn ich habe viel übrig für Punk, und werde ihn immer lieben.
Hier noch ein kleiner Vorgeschmack auf das, was die Konzertgänger im Exil erwartet.
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