Punk ist Einheit – Frank Turner im Interview
Von Mathias Möller | 25. März 2010 | 2 Kommentare
Am Wochenende kehrt Frank Turner, Punkbarde extraordinaire, in die Schweiz zurück. Wir haben im Dezember schon mal mit ihm gesprochen.
2009 kann man getrost als Durchbruchsjahr für Frank Turner bezeichnen. Im deutschsprachigen Raum hat er mit „Love, Ire & Song“ und „Poetry of the Deed“ gleich zwei Alben veröffentlicht. Seine Positivität rettet Leben und live ist der Engländer eine Wucht. Wer sein herausragendes Singer/Songwritertum, garniert mit reichlich Punkattitüde erleben möchte, begebe sich am Sonntagabend ins Zürcher Exil. Dort spielt er sein einziges Schweiz-Konzert, danach geht es für fünf Dates nach Deutschland.
Im vergangenen Dezember haben wir mit Frank vor seinem Auftritt in der Hafenkneipe gesprochen, das Interview erscheint in zwei Teilen.
Frank, wie war dein Jahr? Du bist viel rumgekommen!
Es war grossartig! Ich habe einen Deal mit Epitaph Records abgeschlossen, habe meine erste Headliner-Tour durch Europa absolviert. In Grossbritannien war es völlig verrückt. In den USA bin ich mit grossen Bands unterwegs gewesen. Ich habe ein Album aufgenommen, es hat mir getaugt, es ist veröffentlicht worden. Aber was ich auch sagen muss: Im Moment bin ich verdammt müde. Als vor einigen Tagen alle krank geworden sind, wollte ich nur noch nach Hause! Ich habe circa 250 Konzerte gespielt!
Wie wichtig ist dir dann dein Zuhause?
Ich weiss gar nicht, ob ich, rein technisch gesehen, ein Zuhause habe. Ich meine, ich habe ein Zimmer bei meiner Mutter, aber ich bin im August das letzte Mal da gewesen. Ich bin in den letzten fünf Jahren mehr oder weniger ständig auf Tour gewesen. Da ist meine Vorstellung von Zuhause, von Heimat eher England als irgendein spezieller Ort in England. Ich fühle mich in England Zuhause, egal wo ich bin. Offensichtlich bin ich nicht der Typ, der oft Zuhause sein muss, aber es ist schön, nach Grossbritannien zurückzukehren, eine englische Zeitung zu kaufen und ein English Breakfast zu essen.
Kannst du das alles überhaupt verarbeiten?
Ich denke schon. Wenn ich einen Augenblick auswählen müsste, der Vieles zusammenträgt: Ich habe eine Show in Vancouver, Kanada, gespielt, im Dezember. Ich war vorher noch nie da gewesen, und ich bin ungefähr 6’000 Meilen von Grossbritannien entfernt. Ich bin als Vorband für The Gaslight Anthem aufgetreten. Ich hatte entsprechend geringe Erwartungen. Ungefähr 500 Leute sind da. Als ich auf die Bühne komme, rollen sie mitten in der Menge dieses riesige Banner aus, auf dem steht „Welcome to Vancouver, Frank!“ Ich habe den ersten Song begonnen und alle singen mit.
Was tust du in so einem Moment?
Ich hab einfach weitergesungen und gelächelt. Es war lustig, denn hinterher haben The Gaslight Anthem zu mir gesagt: Verdammt, Alter, du bist nur die Vorgruppe! Das hat sich gut angefühlt. – In Grossbritannien kennen die Leute meine Songs, weil ich dort ungefähr eine Milliarde Auftritte gespielt habe. Aber das in Vancouver zu erleben, das ist ein bleibender Moment. Auch wenn es jetzt nur noch bergab geht, hab ich immer noch diese Geschichte, mit der ich meine Enkelkinder davon überzeugen kann, dass ich auch mal cool war.
Worum geht es in der Hauptsache in deiner Musik?
Ich weiss nicht, ob es da eine bestimmte Sache geht. Ich versuche, aufrichtige Songs zu schreiben. Das älter werden ist ein Themenbereich. Selbständigkeit und Selbsterfüllung sind Themen. Ich habe viele Songs über unglückliche Liebe geschrieben, in letzter Zeit ein paar über glückliche Liebe.
Deine Songs haben oft einen sehr positiven Vibe, das sieht man nicht sehr oft.
Das ist lustig, denn ich kokettiere gern damit, ein Misanthrop zu sein. Aber das ist natürlich Bullshit. Es ist auf eine ganz bestimmte Art positiv. Ich mochte nie die Positivität von Ska. Es ist nicht dieses: Alles ist cool! was ich ausdrücken möchte, sondern das positive: Es könnte besser sein. Und dass es in unserer Hand liegt die Dinge zu ändern. Ich glaube, das Beste, was ich je über Punk gehört habe, ist aus einem Against Me!-Song, „New Wave“: „We can be the bands that we wanna hear“. Das ist Punkrock in einem verdammten Satz.
Ist das dein Antrieb?
Punkrock? Ja. Das ist es ja, was jeder an Punkrock so liebt: Es ist eine Szene, die nicht auf dich herabsieht. Du bekommst nicht das Gefühl vermittelt, dass du dich glücklich schätzen darfst, dass du diese Stars siehst. Das ist meiner Meinung nach eh ein verdammter Scheissdreck. Im Punkrock ist die Band auf der Bühne eins mit dem Publikum. Das ist mir wirklich wichtig.
Das ist also etwas, was du in deiner Arbeit widerspiegelst?
Ja! Ich halte mich nicht für besser als Irgendjemanden, der zu meinen Shows kommt. Ich schaue mir ja auch Konzerte an, wenn ich nicht auf Tour bin. Und wenn ich ein Konzert spiele, sind da ja vielleicht auch andere Musiker im Publikum, oder Leute, die grossartige Sachen machen, die gar nix mit diesen kleinen Bullshit-Musikszenen zu tun haben. Okay, es ist mein Gig, mein Name steht auf dem Poster, und wenn ich auf der Bühne stehe, dann schauen die Leute in meine Richtung. Aber sobald ich fertig bin … Who gives a fuck?
Teil Zwei des Gesprächs erscheint am Samstag.
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