Liars: Drei Robinson Crusoes in LA
Von Ralph Hofbauer | 10. März 2010 | 0 Kommentare
Lange waren sie auf einer einsamen Insel verschollen. Nun kehren Liars mit „Sisterworld“ in die Zivilisation zurück.
Wie die beiden 360°-Panoramen auf der Website zu ihrem neuen Album veranschaulichen, verstehen sich Liars als Outcasts, die vom zivilisierten Popzirkus ausgestossen wurden und sich nun in der Wildnis durchschlagen müssen. Die kompromisslosen Alben der Amerikaner werden entweder verrissen oder bejubelt, doch sie lassen keinen Hörer gleichgültig zurück – ratlos höchstens. Ebenso unberechenbar gibt sich die Band auf der Bühne. Angefeuert von Rampensau Angus Andrew meisselt das Trio lärmige Monolithen in die Stille.
Nach wiederholten Aufenthalten in Berlin sind Liars, deren Wurzeln im New Yorker Post-Punk-Revival der frühen 90er liegen, für die Aufnahmen ihres fünften Albums nach Los Angeles gezogen. „Sisterworld“ bietet eine Gegenwelt zum Glamour von Hollywood: „We’re interested in the alternate spaces people create in order to maintain identity in a city like L.A. Environments where outcasts and loners celebrate a skewered relationship to society“, meint die Band über ihr neues Album, das wie schon seine beiden Vorgänger bei Mute erscheint.
Wer nach dem verhältnismässig zugänglichen, selbstbetitelten Werk von 2007 auf ein leichtkonsumierbares Popalbum hoffte, wird enttäuscht. „Sisterworld“ hört sich an wie die Fortsetzung von „Drums Not Dead“: Liars schlagen wackelige Hängebrücken zwischen abgründiger Psychedelia und manischem Rock. Die Stimmungsschwankungen des Albums reizen die Dynamik zwischen laut und leise bis zum Anschlag aus. Nach dem gemächlichen Auftakt ziehen die Rhythmen allmählich an. Das Trommelfeuer entfacht einen schwelenden Buschbrand, der sich lodernd in der Grossstadt festbeisst.
Liars ist mit „Sisterworld“ nicht der epische Wurf gelungen, auf den die Vorabsingle „Scissor“ hoffen liess. Mit dem klaustrophobischen „Drip“, dem krautrockigen „Proud Evolution“ und dem unaufhaltsam der Apokalypse entgegenschwankenden „Goodnight Everything“ bietet die Platte einige monumentale Momente, wie sie nur diese Band zu bieten vermag. Das grosse Popalbum bleiben uns Liars jedoch weiterhin schuldig.
Liars „Scissor“ from A Bruntel on Vimeo.
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