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Platte der Woche: Gonjasufi – A Sufi and A Killer

Von    |   9. März 2010   |   1 Kommentar

All killer, no filler! Mehr gibt es zum Warp-Debüt von Gonjasufi eigentlich nicht zu sagen. Wir tun es trotzdem – nach dem Klick.

Schlappe 32 Jahre hat der in San Diego geborene Sumach Valentine auf dem Buckel und doch wirkt er auf Fotos wie ein gealterter Mann, den der Anblick des Lebens gleichermassen wütend und weise gemacht hat. Valentine ist gezeichnet von einer turbulenten Vergangenheit: In den Neunzigern im Umfeld der Masters of Universe-Crew in der Hiphop-Szene aktiv veröffentlicht er bald erstes eigenes musikalisches Material und versackt gleichzeitig immer tiefer in einem Sumpf aus Drogen und Gewalt.

Nach der Geburt seines zweiten Kindes kommt die Einkehr. Valentine entdeckt den Sufismus, die Mystik des Islams, und verschreibt sich einer spirituell-asketischen Lebensweise, die ihn 2005 zum Bikram Yoga bringt. Yoga wird ihn fortan durchs Leben begleiten und als Yogalehrer findet er, wie er in einem Interview mit Pitchfork verlauten lässt, zu einer inneren Ruhe und Ausgeglichenheit:  „It’s the realest shit I’ve learned in this life and it helped me to deal with the outside world by mastering my inside world.“

Doch kaum hat Valentine seine innere Mitte gefunden, gerät die Aussenwelt aus dem Häuschen. Nach einigen wenig diskutierten Self-Releases in den 00er-Jahren veröffentlicht Valentine heute unter dem Namen Gonjasufi sein Warp-Debüt, das im Netz schon seit Wochen von einer glühenden Anhängerschaft hochgejubelt wird.

„A Sufi and A Killer“ ist das Resultat einer Kollaboration mit den Produzenten The Gaslamp Killer und Mainframe aus Los Angeles. „The least amount of microchips involved“ lautete Gonjasufis Vorgabe und in der Tat haben ihm seine Mitstreiter einen analogen Vintage-Sound auf den Leib geschneidert, der in seiner stilistischen Elastizität so bequem sitzt wie eine zweite Haut: Grobe Passagen wurden in monatelanger Arbeit weichgeklopft und fühlen sich nun unglaublich geschmeidig an, überraschende Akzente verleihen den Songs Charakter und jeder Beat klopft Millionen von knistrigen Soundpartikeln aus dem Klangkleid.

Neben dem Killer-Instinkt für den richtigen Sound ist es die Spiritualität, die in Gonjasufis Stimme und Texten zum Ausdruck kommt, die das Album endgültig zum Meisterwerk macht. Mittlerweile vor die Tore von Las Vegas umgesiedelt, singt Gonjasufi in seinem Heimstudio nach stundenlangen Yoga-Sessions und bei bis zu 50 Grad die Vocals ein. Seine Stimme gibt sich zerbrechlich und trocken, und hat oft kaum mehr als ein brüchiges Krächzen für die mystischen Texte übrig. Und auf einen Schlag – in und zwischen den Zeilen – ist sie wieder da, diese Wut und diese Weisheit.

„A Sufi and A Killer“ kombiniert Hiphop-Elemente mit nah- und fernöstlicher Psychedelia und greift immer wieder auf Samples zurück, die die Songs an ganz unterschiedlichen Flecken der Erde zu ganz unterschiedlichen Zeiten verorten. Die Platte reiht 19 Songs aneinander, die oft mehr Anrisse oder Fragmente sind als in sich geschlossene Einzelwerke und so gerät die Reise durch das Album zur irren Achterbahnfahrt durch Länder, Gefühle und Genres.

Der Hörer durchtreibt das von Flying Lotus produzierte „Ancestors„, eine sitar-getränkte Hommage an den Ort, an dem das eigene Ich wurzelt, überhört auf „Sheep“ ein Zwiegespräch zwischen zwei Löwen, von denen einer lieber ein Schaf wäre, damit er zum Überleben nicht zu töten bräuchte, und wird jäh von einem Sample in einen französischen Teenager-Filmklassiker katapultiert. „She Gone“ hält eine verknorzte Absage an die Liebe bereit, die vom Zahn der Zeit verwittert zur blossen Fingerübung verkommt. Die punkige „Suzie Q“ spielt indes Iggy Pop an die Wand, während sich „Change“ auf Trip-Hop und Portisheadsche Slacker-Beats rückbesinnt. Auf „Kowboyz & Indians“ fordern fernöstliche Gesänge aus spröden Lautsprecher-Membranen zum Tanz auf, man nimmt an und holt sich kurze Zeit später mit „Ageing“ gehörig den Blues, der die Wahrnehmung im „Duet“ bis zur völligen Einkehr trüben wird.

Obwohl alles nach auditivem Overflow schreit ist „A Sufi and A Killer“ überraschend homogen und organisch ausgefallen. Der Flüchtigkeit und stilistischen Vielfalt der Songs zum Trotz entpuppt sich das Album schon beim ersten Hördurchgang als fliessendes Gesamtwerk, das runtergeht wie Öl.

Hier lang zum Album-Stream.

> „A Sufi and A Killer“ ist in der Schweiz ab heute zu haben. Zugreifen!

Gonjasufi – Ancestors

[audio:http://downloads.pitchforkmedia.com.s3.amazonaws.com/Gonjasufi%20-%20Ancestors.mp3]

Gonjasufi – Sheep

Gonjasufi – Kowboyz & Indians

Gonjasufi – Kobwebs

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