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Beard Closet: Verloren im ewigen Eis

Von    |   20. Februar 2010   |   0 Kommentare

Das kostenlose Minialbum „Amputated Orchestra“ von Beard Closet verfrachtet für eine unheimliche Nacht ins ewige Eis. Und dort bleibt einem nichts als die Wärme des Herzens.

Der Opener ‚Love of Glaciers‘ trägt auf Eisschollen an den Fuss einer prächtigen Gletscherzunge. Vorbei an erstaunlichen Eisskulpturen gleitet man auf glatter See, worin das Sternenmeer funkelt und kunstvolle Nordlichter schwimmen.

Kaum sitzt man am Gletscher, wird die Stille zum gespenstischen Konzert rauer Natur. Schreie huschen übers Eis wie flüchtige Schatten des sagenhaften Yeti. Mag auch ein einsamer Eisbär sein, der um schrumpfenden Lebensraum heult und die steigende Wärme beklagt.

Knarzend kriechen die Eismassen näher. Allein in unlebsamer Eiswüste und doch klaustrophobisch in unermessliches Schwarz gehüllt. Unheimlich führt der stete Wandel der Natur die eigene Bedeutungslosigkeit vor Augen. Das letzte Quentchen sinnstiftenden Glaubens gefriert und zersplittert wie ein von der Dachrinne fallender Eiszapfen.

Die psychische Belastung einer schlaflosen Nacht wächst. Rundum blinzeln leuchtende Augenpaare aus dem Dunkel, hungrige Bestien streifen durch den Schnee und warten auf eine kleine Unachtsamkeit. Die wahre Bedrohung erwächst jedoch von innen. Paranoide Hirngespinste, die mit dem eigentlich nichtigen Gewicht des Seins bedrücken.

Dann lockt der Gletscher verführerisch in eine seiner Spalten. Somnambul tastet man sich durch eingefrorene Vergangenheit, wo die Einsamkeit und Isolation Jahrtausender von den Wänden tropft. Die Wichtigkeit der Gegenwart versickert im Boden.

Zum Schluss spielen die Sinne vollends verrückt. Kosmisches Rauschen hallt zwischen Schneehügeln umher, runterhängende Wolkenfetzen schneiden bizarre Fratzen. Wie eine Idee vom Tod umschleicht eine zähe Nebelbank erst den Hinterkopf und trägt dann doch erleichtert zurück ins Leben.

Ein wunderbares Ambient-Album, das parallel zu derjenigen des ewigen Eises auch die Unheimlichkeit des Seins erforscht. So mystisch wie die Musik, so mysteriös der Künstler. Über Beard Closet gibt es nicht mehr zu sagen als dass er/sie aus Toronto stammt und beim Netlabel The Vegetable Kingdom zuhause ist.

>> Reinhören & Download: Beard Closet – Amputated Orchestra

Love of Glaciers
[audio:http://www.archive.org/download/BeardCloset-AmputatedOrchestra/01_love_of_glaciers.mp3]

In Bed With the Crystal Healer
[audio:http://www.archive.org/download/BeardCloset-AmputatedOrchestra/02_in_bed_with_the_crystal_healer.mp3]

> Im Plattenregal neben: Elegi

(Foto: Ralph Hofbauer)

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