Gustav: „Ich kotze mich auf der Bühne aus“
Von Silvan Gertsch | 10. Februar 2010 | 1 Kommentar
Facettenreiche Bühnenwildsau mit Heavy-Metal-Vergangenheit: Der Schweizer Sänger Gustav veröffentlicht am 12. Februar sein neues Album „666“. Im Interview spricht er über das Konzept dahinter.
Wann hast du den Teufel in dir entdeckt, der auf „666“ vor allem in der zweiten Albumhälfte so dominant auftritt?
Gustav: Ich würde eher von einer dunklen, melancholischen Seite sprechen und nicht unbedingt von einer teuflischen. Die habe ich nicht entdeckt. Sie kommt automatisch ans Tageslicht, wenn man sich mit sich selbst befasst. Aber dieses dunkle Element ist ja nur eine Seite der Medaille. Stellt man das Album auf den Kopf, so ergibt das 999. Diese Zahl steht für die helle Seite. Solche Gegensätze habe ich auf meinem neuen Album speziell gesucht.
Die Dramaturgie ist also bewusst gewählt? Vom beschwingten ersten Song hin zum todtraurigen Finale?
Natürlich. Ich mag keine Alben, auf denen willkürlich ein Song an den nächsten gereiht wird. Ich erstelle zu Beginn immer ein Konzept, worüber ich singen möchte. Das öffnet mir Türen. Um mich kennen zu lernen, muss man sich das ganze Album mit all seinen verschiedenen Stilen anhören. „666“ ist im Grunde genommen spiralförmig aufgebaut – es geht langsam hinab bis zum finalen „Requiem (Für na aarma Hunn)“.
Zu diesem Konzept passt auch die Tatsache, dass das Album als Gesamtkunstwerk daher kommt. Die Illustrationen stammen von dir.
In der Primarschule war ich gut im Zeichnen. Ich habe viele Preise gewonnen – beispielsweise Wettbewerbe der Raiffeisenkasse. Als es dann an die Berufswahl ging, wollte ich ursprünglich die Kunstgewerbeschule in Bern besuchen. Ich musste dort leider feststellen, dass alle anderen viel besser zeichnen konnten als ich. Deshalb habe ich damals das Zeichnen beiseite gelegt und erst mit meinem neuen Album wieder entdeckt.
Du giltst als Bühnenwildsau. Was sind die Voraussetzungen dafür?
Mir ist wichtig, dass ich mich auf der Bühne auskotze. Wenn das Konzert vorbei ist, will ich einfach kaputt sein. Man muss spontan reagieren können, das Publikum spüren. Natürlichkeit gehört auch dazu. Mit einer grossen Band geht auch mal was in die Hose. In solchen Momenten ist es spannend zu sehen, wie die Musiker darauf reagieren und wie sie die Situation retten.
Deine neue Band heisst Hellbrothers. Was unterscheidet sie von früheren Musikern, die mit dir auf Tour waren?
Bei jeder Platte gründe ich eine neue Band. Die meisten Musiker sind schon seit Jahren dabei, neue kommen hinzu, andere verlassen uns. Die Hellbrothers haben, der Name deutet es bereits an, einen direkten Bezug zum neuen Album. Die Musiker sind an den Konzerten alle schwarz gekleidet. Ich versuche, auf der Bühne einen halben Gottesdienst zu machen.
Wenn wir schon beim Thema Hellbrothers sind: Du hast offenbar eine Heavy-Metal-Vergangenheit.
Dort wo ich aufgewachsen bin, gab es nur Metal. Iron Maiden, Metallica, Slayer. Ich höre noch heute gerne harten Sound, auch wenn man mir das optisch nicht mehr ansieht. Aber ich hatte früher lange Haare und spielte sogar in Hardcore-Bands. Das ist noch heute die beste Live-Musik. Je härter, desto besser. Aber diese Musik selber zu machen, reizt mich nicht mehr. Musik ist zu facettenreich, um sich bloss auf ein paar wenige Powerchords zu beschränken.
„666“ von Gustav erscheint am 12. Februar.
Eine Reaktion
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09:30 Uhr, 11.2.2010, Link
Danke, 78s! Wusste nicht, das Gustav solch einen Hintergrund hat. Jetzt ist er mir noch sympathischer.