Comeback einer lebenden Legende: Gil Scott-Heron
Von Ralph Hofbauer | 8. Februar 2010 | 1 Kommentar
Niemand hätte mehr mit ihm gerechnet, doch nach 15 Jahren Auszeit meldet sich der Spoken-Word-Pionier Gil Scott-Heron mit einem beeindruckenden Album zurück.
Mit Würde zu altern ist bekanntlich kein leichtes Unterfangen. Dass ein zweiter Frühling in Ausnahmefällen doch möglich ist, haben der späte Johnny Cash, der unermüdliche Bob Dylan und die unsterbliche Grace Jones bewiesen. Auch die rauchige Stimme von Gil Scott-Heron trägt eine reife Weisheit in sich. Man hört dem Timbre des 60-Jährigen an, dass es von einem bewegten Leben und von einer Unmenge Marlboro-Zigaretten geformt wurde.
In den frühen 70ern hat Gil Scott-Heron den Grundstein für Rap gelegt, indem er über Funk und Jazz politische und sozialkritische Texte reimte. Mitte der 90er wurde es still um den Spoken-Word-Pionier, dessen Songtitel „The revolution will not be televised“ längst zum geflügelten Wort geworden ist. Gerüchte machten die Runde, dass Gil Scott-Heron, der so oft über Suchtprobleme gesungen hatte, selbst den Drogen verfallen sei.
Mit „I’m New Here“ wagt der Altheld nun einen Neuanfang. Dass sein Comeback bei einem der erfolgreichsten Indie-Labels XL Recordings (Radiohead, White Stripes, Vampire Weekend) erscheint, unterstreicht den Kultstatus, den der Amerikaner bis heute geniesst. Das vom XL-Labelchef Richard Russell höchstpersönlich produzierte Album ist soundtechnisch absolut auf der Höhe der Zeit. Es bietet düstere Electronica mit Dubstep-Affinität, aber auch einfachen akustischen Blues.
Das Potpourri aus ausformulierten Songs, gesprochenen Interludes und Covers pendelt elegant zwischen Tradition und Moderne: Im Opener „Coming From A Broken Home“ sinniert Gil Scott-Heron nachdenklich über seine Jugend, die Single „Me And The Devil“ gibt sich mit ihrem abgefuckten Beat deutlich aggressiver, im Titelsong – einem Smog-Cover – wird Heron zum Songwriter vom Lande, das klaustrophobische Gedicht „Your Soul And Mine“ klingt wiederum sehr urban, während das Cover des Soul-Klassikers „I’ll Take Care Of You“ ganz klassisch mit gezupften Geigen daherkommt.
Mit einer Spielzeit von 28 Minuten ist „I’m New Here“ sehr kurz ausgefallen. Auf engem Raum brilliert Gil Scott-Heron jedoch als vielseitiger Sänger wie auch als tiefgründiger Poet. Seine Texte machen seinem Übernamen „Black Bob Dylan“ alle Ehre. Eine beseelte Platte mit einem rührenden Schlusswort: „My life has been guided by women but because of them I’m a man. God bless you mama.“
> Albumstream bei 3voor12 Luisterpaal
> Ein Gratis-MP3 von „Where Did The Night Go“ gibts auf gilscottheron.net
> Das geniale Video zur Single „Me And The Devil“:
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21:45 Uhr, 12.2.2010, Link
Wie lange mussten die Fans auf dieses Comeback warten