Dr. Pop, was machen eigentlich Sportsguitar?
Von Dr. Pop | 29. September 2009 | 3 Kommentare
…möchte 78s-Leser Luca Bruno wissen. Dr. Pop hat zum Telefonhörer gegriffen und nachgefragt.
„Ich habe im Moment keine Zeit, um ein Album aufzunehmen“, sagt Oliver Obert am anderen Ende der Leitung, während ich mir – dem widerlichen Warnbild zum Trotz – genüsslich eine Zigarette anstecke. Im Hintergrund sind Kinderstimmen zu hören, die aus der Wohnung in der Luzerner Innenstadt ein Tollhaus machen. Die Familie ist einer der Gründe, warum Obert keine Zeit hat, ins Studio zu gehen. Hinzu kommt sein Bürojob, der ihn untertags in Anspruch nimmt. „Ich möchte kein Feierabendrocker sein. Wenn ich jemals wieder Musik veröffentliche, muss sie meinen Qualitätsansprüchen gerecht werden.“
Oliver Obert gehört zu den wenigen Schweizer Musikern, die den Sprung über den grossen Teich geschafft haben. Alles ging sehr schnell: 1994 spielte Obert zusammen mit dem Gitarristen Roland Saum das Debüt von Sportsguitar ein. Gerade mal drei Monate nach dem Release von „Fade/Cliché“ veröffentlichten die Innerschweizer die Single „Gong Gong“ bei Sub Pop, jenem Label aus Seattle, das mit dem Suizid von Kurt Cobain damals gerade seinen traurigen Zenit erreicht hatte. „Der Deal mit Sub Pop war wie eine Audienz beim Papst. Damit gingen für uns alle Tore auf“, erinnert sich Obert.
Sportsguitar bekamen Angebote von Majors, unterzeichneten dann aber doch einen Vertrag beim Indie-Label Matador Records, wo sie „Married, 3 Kids“ und „Happy Already“ veröffentlichten. Die Titel der beiden Kult-Alben haben sich für Obert im Nachhinein als prophetisch erwiesen: Der Songwriter scheint glücklich mit seinem häuslichen Leben an der Seite seiner Frau und seinen beiden Söhnen. So ganz kann es Mr. Sportsguitar jedoch nicht lassen. Gelegentlich bastelt der Multiinstrumentalist im stillen Kämmerchen an neuen Songs. Eine Handvoll Stücke habe er mittlerweile zusammen, erzählt Obert. „Ich probiere in meiner bescheidenen Freizeit alles Mögliche aus. Ich habe auch über Kollaborationen nachgedacht, hatte bisher aber keine Zeit dafür.“
Seit Roland Saum die Band Ende der 90er verlassen hat, sind Sportsguitar zum Solo-Projekt geschrumpft. Obert spielte mit Hilfe von Studiomusikern zwei Alben ein, die er beim CH-Label Glow Music sowie beim deutschen Label Kitty-Yo veröffentlichte. Seit „Chicadas‘ Chirping“ von 2003 ist es still geworden um „die Schweizer Pavement“, wie Sportsguitar zu ihrer Blütezeit von der Spex genannt wurden. Während sein Ex-Bandkollege Roland Saum nach wie vor mit verschiedenen Projekten auf der Bühne steht, hat sich Obert klammheimlich aus der Schweizer Musikszene verabschiedet.
Die Bühne vermisst Obert, der im Laufe seiner Karriere viermal durch die USA getourt ist, kein bisschen. Er habe schon immer lieber im Studio gearbeitet als auf der Bühne zu stehen: „Ich bin nicht für ein Leben im Rockbetrieb geschaffen. Es war eine grossartige Zeit und ich bin dankbar für den Erfolg, doch ich habe mich in der Rockstarrolle nie wirklich wohl gefühlt. Man hat mich oft als Anti-Star bezeichnet und dieses Image entspricht wohl tatsächlich der Wahrheit“, sagt Obert etwas verlegen. Die Erfahrungen, die er damals gemacht habe, wirken bis heute nach, deshalb habe er im Moment kein Problem damit, einem 9-to-5-Job nachzugehen, erzählt Obert.
Dennoch ist der Schaffensdrang des Sportsguitar-Masterminds offenbar noch nicht gestillt. Wann Obert mit neuen Songs an die Öffentlichkeit treten wird, ist jedoch ungewiss: „Mein Arbeitstempo ist im Moment sehr langsam. Doch die Entwicklung hat durch das Internet weg vom Albumkonzept geführt, was mir entgegen kommt. Ich könnte mir durchaus vorstellen, irgendwann einige Songs aufs Netz zu stellen.“ Wie Sportsguitar heute klingen, will Obert nicht verraten. Auf die Frage hin, welche Musik ihn zurzeit inspiriere, antwortet er: „Was man so hört halt.“ Nach längerem Grübeln zählt er Animal Collective und Excerpter auf.
Es gibt also Hoffnung für alle Sportsguitar-Fans. „Vor zwei Wochen hatte ich seit langem wieder mal das Gefühl, einen Hit geschrieben zu haben“, erzählt Obert. Er möchte den Song so bald wie möglich aufnehmen – doch vorerst rufen die Vaterschaftspflichten. Mr. Sportsguitar hängt auf und kümmert sich um seine quengelnden Kinder.
> Leserfragen an: dr.pop(ät)78s.ch
3 Reaktionen
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17:59 Uhr, 29.9.2009, Link
schöne geschichte….ich will den hit hören, biddeee
19:28 Uhr, 29.9.2009, Link
Dr. Pop raucht? Sofort entlassen. Skandal.
09:35 Uhr, 30.9.2009, Link
Sportsguitar zurück in den Olymp, bitte!