JJ – N°2: Ein Sommernachtstraum
Von Ralph Hofbauer | 4. August 2009 | 0 Kommentare
JJ schrammen mit ihrem Debüt haarscharf am Kitsch vorbei und treffen trotzdem mitten ins Schwarze. Das mysteriöse schwedische Kollektiv beschert uns gerade noch rechtzeitig die Sommerplatte des Jahres.
„From Africa To Málaga“ hat sich auf meiner Playlist klammheimlich zum Sommerhit 2009 gemausert. War ich anfangs noch etwas skeptisch ob der esoterischen Glasur dieser tropischen Dream-Pop-Perle, wurde mir nach einigen Hördurchgängen bewusst, dass ich Enya, Enigma und den ganzen Esokram der frühen 90er vermisse, obwohl ich damals Nirvana dem New Age-Kitsch vorgezogen habe. Vielleicht auch nur, um in meiner Schule nicht als Warmduscher zu gelten.
Aus der Distanz von fast zwei Dekaden betrachtet, wirkt die träumerische Ästhetik von Enigma und Konsorten jedoch gar nicht so abwegig – schliesslich ist Musikhören ja nichts anderes als Träumen im Wachzustand. JJ wecken mit ihrem traumwandlerischen Sound Erinnerungen an den ätherischen Esoterik-Pop, ohne Klischees von kreisenden Adlern und indianischen Stammesgesängen zu beschwören. Die Schweden bringen auf wundersame Weise New Age, TripHop, Chill-Out, Twee-Pop, Kraut- und Kuschelrock zusammen. Was als Genre-Assoziationskette nach einem widerlichen Gebräu tönt, klingt in Tat und Wahrheit nach wattigweicher Sommerferienmelancholie. Egal wie schlecht dieser Sommer ist, im Sommernachtstraum von JJ scheint die Sonne: „I close my eyes and remember a place in the sun“, singt ihre Sängerin.
Die biografischen Fakten über das schwedische Kollektiv sind rar gesät. JJ haben nicht mal eine Website. Ähnlich wie beim mysteriösen Dubstep-Produzenten Burial gibt es auch bei JJ nichts als die anonyme und doch so persönliche Musik. Gerüchte besagen, dass hinter der Gruppe das Duo Tough Alliance steckt, mit dem das Göteborger Label Sincerely Yours erstmals von sich hören machte. In diesem Video sind jedenfalls zwei junge Typen sowie ein blondes Mädchen zu sehen, das mehr raucht als singt. Gerade die somnambule Frauenstimme ist es, die mithilft, die besagten 90er-Reminiszenzen zu wecken. Wie der Gesang ist auch die Musik mit derart viel Hall produziert, dass das Eintauchen in die sphärischen Sounds nicht schwer fällt.
Nach der 7″-Single „N°1“ veröffentlichen JJ mit „N°2“ ihren ersten Longplayer, wobei das Album mit einer Spielzeit von 27 Minuten dieser Bezeichnung nicht wirklich gerecht wird. JJ giessen ihre uferlosen Sounds in neun kompakte Dreiminutensongs. Für Abwechslung ist gesorgt: Die Schweden geben sich auf ihrem Debüt mal folkig-rural, mal dubbig-urban. Sie mögen Samples, Keyboards und Cannabis (sofern man das Cover ironiefrei liest), und haben Gitarren ebenso an Bord wie Buschtrommeln. In manchen Stücken weht eine karibische, in anderen eine balearische Brise. Der unaufgeregte Groove dieser Platte wirkt so entspannend wie Inselferien.
Ob Pitchfork mit 8.6 Punkten nicht etwas gar hoch gegriffen hat, ist fraglich. Mit „Me & Dean“ enthält das ohnehin schon kurze Album ein Füller, der bestenfalls als Demo taugt, zudem klingen die synthetischen Streicher des Openers ziemlich billig. In den übrigen Songs sind JJ mit ihren DIY-Techniken jedoch erfolgreich. Das enigmatische Kollektiv liefert nach Fever Ray den zweitbesten schwedischen Elektronik-Entwurf der ersten Jahreshälfte. Bleiben drei Fragen: Sind die 90er die neuen 80er? Ist Eso der neue Emo? Und wer steckt hinter dieser Verschwörung?
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