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Bill Callahan übertrifft sich selbst

Von    |   15. April 2009   |   2 Kommentare

Auf Bill Callahan ist Verlass. Mit „Sometimes I Wish We Were An Eagle“ ist dem amerikanischen Songwriter ein weiteres Meisterwerk gelungen. Vielleicht sogar sein bisher grösstes.

Bill Callahan hat sich mit mehr als einem Dutzend Alben in die Major League der amerikanischen Songwriter gespielt. Trotzdem wurde ihm nie derselbe Ruhm zuteil wie beispielsweise Will Oldham aka Bonnie „Prince“ Billy. Dies dürfte unter anderem daran liegen, dass Callahan weder in einem Video von Kanye West mitgespielt hat, noch von Johnny Cash gecovert wurde – obwohl sein maskuliner Bariton dem Man In Black eigentlich näher stünde als Oldham’s schütteres Timbre. Hinzu kommt, dass Callahan nur selten tourt, bis heute keine Website hat und sein googlefeindliches Pseudonym Smog erst mit seinem letzten Album abgelegt hat.

Bill Callahan’s neues Album „Sometimes I Wish We Were An Eagle“ (VÖ 17.4.) wurde von der deutschen Rolling Stone-Redaktion zum Album des Monats gewählt. Vielleicht erlangt der 42-jährige Wahl-Texaner also doch noch die Bekanntheit, die er verdient hätte. Wenn nicht, bleibt Callahan eben ein Geheimnis, das man bei einer Flasche Rotwein mit einem guten Freund teilt. Man prostet sich zu und denkt: Dieser Mann versteht uns wie kein anderer Songwriter. Seine Musik verleiht unseren schwermütigen Seelen Flügel. Sie trägt uns aus dem Jammertal des Alltags hinauf auf Hochebenen, auf denen die Gedanken frei sind. Dort spricht Bill Callahan Wahrheiten aus, für die selbst die grössten Literaten dieser Welt keine treffenderen Metaphern finden könnten.

In den zwanzig Jahren seines Schaffens wirkte Callahan von Album zu Album unbeschwerter. Kamen seine Lofi-Experimente Anfang der 90ern noch aus einem dunklen Kellerloch, stieg Callahan spätestens mit „A River Ain’t Too Much To Love“ ans Tageslicht empor. Sonnendurchflutet und trotz aller Melancholie zuversichtlich klingt auch sein neues Werk. Wie ein klarer Fluss strömt „Sometimes I Wish We Were An Eagle“ durch die weite Prärie. Unaufgeregte Arrangements mit Streichern, Bläsern und Piano bringen den Gedankenstrom, den Callahan mit stoischer Ruhe in hinreissende Melodien verwandelt, zum Funkeln. Das klingt eher klassisch als amerikanisch, in „The Wind And The Dove“ finden sich gar orientalische Harmonien. Callahan vermag auch mit seinem 16. Album zu überraschen. Einmal mehr auch mit seinen subtilen Texten.

Inwiefern die Trennung von Joanna Newsom seine Lyrik beeinflusst hat, darüber kann man anhand von Zeilen wie „I dreamed it was a dream that you were gone“ lediglich spekulieren. Zwar ist Callahan durchaus ein „confessional Songwriter“ – sämtliche Texte des neuen Albums sind in der ersten Person verfasst – jedoch sind seine Songs zu doppelbödig, um sie auf der Psychologencouch festzunageln. Wer dies trotzdem versucht, wird darauf einen reifen Mann vorfinden, der versöhnlich auf die erste Hälfte seines Lebens zurückblickt. Im zehnminütigen Finale „Faith/Void“ erklärt Callahan seine Sinnsuche als beendet: „This is the end of faith. No more must I strive to find my peace in a lie“. Callahan hat seinen Frieden gefunden, denn er hat akzeptiert, dass er den Refrain des perfekten Songs, der Antworten auf alle Fragen liefert, nicht entschlüsseln kann. Nur der Adler kennt die Bedeutung von „Eid Ma Clack Shaw“.

Wer Callahan noch nicht kennt, dem macht dieses nachdenkliche und doch optimistische Album den Einstieg leicht. Wem Callahan schon länger ans Herz gewachsen ist, der wird in diesen lakonischen und doch so vielsagenden Songs die Gewissheit finden, dass Bill Callahan der zuverlässigste Freund im Plattenregal ist. Denn wenn er einem in „My Friend“ den Arm um die Schulter legt und „I will love you forever“ singt, ist man einfach nur glücklich, jemanden wie ihn an seiner Seite zu wissen.

Bill Callahan – Eid Ma Clack Shaw
[audio:http://cdn.stereogum.com/mp3/Bill%20Callahan%20-%20Eid%20Ma%20Clack%20Shaw.mp3]

2 Reaktionen

  1. #1 Xaver Zimmermann

    17:01 Uhr, 15.4.2009, Link

    exakt.

  2. #2 pete

    21:59 Uhr, 6.5.2011, Link

    der herr hat übrigens ein neues album draussen!

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