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Läster Lester

Von    |   1. April 2009   |   1 Kommentar

Lester Bangs, von Cameron Crowe im Film „Almost Famous“ verewigt, gilt als der grosse amerikanische Rock-Kritiker. Jetzt gibt’s endlich eine Auswahl seiner Texte auf Deutsch.

Lester Bangs, 1948 in Kalifornien geboren, schrieb schon im Alter von 15 Jahren für den Rolling Stone, später zog er nach Detroit und wurde Redakteur beim Musikmagazin Creem, in den Siebziger Jahren lebte er als freier Journalist in New York und schrieb für Blätter wie Village Voice, NME, New York Times u.a.. Er starb viel zu früh, nach wildem, exzessivem Leben, mit 33 an Rock’n’Roll.

Sein schonungsloser, subjektiver und zu masslosen Übertreibungen neigender Schreibstil ähnelt stark dem von Hunter S. Thompson; Bangs ist Gonzo pur.

Ganz anders, als wir das vom heutigen Musikjournalismus kennen, war ihm zu viel Respekt oder gar Katzbuckeln vor den Künstlern fremd. Obwohl er zum Beispiel Lou Reed vergötterte, hinderte ihn das nicht daran seinem Helden so richtig die Meinung zu geigen. Höhepunkt des Buches ist ein Interview mit Lou Reed in den frühen Morgenstunden nach einem Konzert. Befeuert von Alkohol und Speed entwickelt sich das Gespräch in einen slapstickhaften, verbalen Ringkampf zweier Egomanen. Lester Bangs bezichtigt Reed als Junkie und Lügner, Reed geizt ebenso wenig mit derben Beschimpfungen und spielt ihm eine Ron Wood-Platte vor, von der er weiss, dass Bangs sie hasst.

Oder Äusserungen über David Bowie („die schlechtesten Texte, die ich je von einer Pop-Ikone gehört habe“) und Iggy Pop (“diese ekligen Songs über TV-Augen, Sich-wie-Dreck-Fühlen und Überhaupt-keinen-Spass-nicht-Haben, weil man halt verfickt adoleszent ist, notgeil, aber neurotisch, gelangweilt und einsam und nicht fähig, mit sich oder irgend jemand anderem zu kommunizieren. Scheisse.”): es hört sich an, als würde er die Bands, über die er schreibt, hassen, dabei verehrte er vor allem die Stooges glühend.

Der erstmals 1987 erschienene, von Greil Marcus zusammengestellte, Band versammelt weiter ein Interview mit Kraftwerk, die Bangs klischeehaft arrogant-deutsch darstellt, einen herrlichen Verriss eines Konzerts von Tangerine Dream dem er auf „zwei Flaschen Hustensaft“ beiwohnt, eine überschwängliche Huldigung der Troggs („Wild Thing“), ein Tourtagebuch mit The Clash, eine kritische Betrachtung der CBGB’s-Szene, zu der er sich dazu zählt, ihr aber Rassismus vorwirft und viel Interessantes, Amüsantes und Skurriles mehr.

Die Lektüre von Lester Bangs Kritiken, Reportagen und Kolumnen sei jedem Liebhaber von Musik und Literatur ans Herz gelegt, denn sie rockt mehr als manche Band und ist spannender als jeder Roman.

Lester Bangs: Psychotische Reaktionen und heisse Luft, Edition Tiamat, 2008

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