Dr. Pop, wieso gibt es in der Schweiz keine schlauen Radiosender?
Von Dr. Pop | 26. September 2008 | 23 Kommentare
Radiohören macht in der Schweiz nicht sonderlich Spass. Doch es ist Hoffnung in Sicht.
Die Randgruppenlokalradios (3Fach, Kanal K, Radio X, Toxic.fm) in Ehren, Couleur 3 und Formate wie Sounds hin oder her – die Schweizer Radiolandschaft ist eine Kuhweide voller Scheisse, über der die halbtoten Fliegen der Musikindustrie kreisen. Die Sender gleichen sich wie ein Kuhfladen dem andern: Alle spielen sie die grössten Hits „us de 80er, 90er und vo hüt“ und alle halten sie ihre Hörer mit lustigen Ratespielchen bei Laune.
In der Schweiz wird Radio nicht gemacht, man lässt es machen. Von der immergleichen Superstar-Endlosschlaufe, von den Hörern, die ihre Bürokollegen grüssen, von abgehalfterten B-Promis, die das Studio vollplappern, von marktschreierischen Werbern und von Jingle-Produzenten, die ihren restlichen Umsatz wahrscheinlich mit Klingeltönen machen. Das Radio, einst das schnellste Informationsmedium und das Musikmedium schlechthin, ist in der Schweiz vor die Hunde gegangen. Im Raum Zürich findet man keine einzige erträgliche Radiostation.
Roger Schawniski wollte 1979 die Schweizer Radiolandschaft von der konservativen Popfeindlichkeit befreien, dabei hat die Privatisierung alles nur noch Schlimmer gemacht. Das beste Beispiel ist Schawinskis einstiger Piratensender Radio 24. Schawinski hat die Missstände in der Schweizer Radiolandschaft zwar inzwischen selbst erkannt und ein Radio für Erwachsene gegründet. Seine Idee hielt er, wie er uns in seinem vom Tagi-Magi abgedruckten Promotext wissen liess, für genial. Was Schawinski unter den Tisch kehrt: Popkultur ist Jugendkultur.
Schawinski hält das Schweizer Radio für infantil, dabei ist es in Wahrheit debil. Adoleszenz hat immerhin Verstand, das Schweizer Radio ist nichts als dumm. Schuld an der Beschränktheit der Schweizer Radiolandschaft sind laut Schawinski ausländische Berater, die den Schweizer Privatradios zur Formatradio-Strategie geraten haben. Das Credo des Formatradios: Wiedererkennungswert. Mutige Musik hat in diesem Radio keine Chance, sie könnte den Hörer vergraulen.
Dies führte zwangsläufig zu einer Homogenisierung, wie diese Studie zur Vielfalt der Schweizer Radiolandschaft beweist, die 2003 haarsträubendes zu Tage förderte: „So ist die Informationsleistung von Hitradio Z geringer als der Output an akustischen Erkennungsmerkmalen, und Lausanne FM strahlt mehr Werbung aus als Information. […] Die Programmformate der beiden Zürcher Hauptkonkurrenten sind nahezu austauschbar.“
Doch es ist Hoffnung in Sicht: DAB (Digital Audio Broadcasting) wird UKW schon bald verdrängen. In einigen Ländern ist DAB bereits flächendeckend zu empfangen, bei uns soll es Anfang 09 soweit sein. Der Bund hat dafür acht neue Konzessionen erteilt, eine davon hat digris erhalten. In Planung ist eine Open Broadcast-Plattform, die Programmskizze verspricht: „..sozusagen ein Wiki-Last.fm als Mischung aus einem mutigen FM4 mit Ambitionen von ARTE TV, einem DRS2 als MTV noch 1985 war. Kein Tagesjournalismus, mit Hintergrund, kein Mainstream, gute Musik, Hörspiele, neue Formate, alt Bewährtes, urban wild und versiert….ehrlich!“
Tönt doch ganz gut. Ein weiterer Hoffnungsschimmer, zumindest für den Raum Winterthur: Ebenfalls Anfang 09 geht Stadtfilter auf Sendung.
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