Sigur Ros: Die Neo-Hippies müssen traurig bleiben
Von David Bauer | 20. Juni 2008 | 16 Kommentare
Heute erscheint das neue Album von Sigur Ros. Die notorischen Melancholiker sind fröhlich geworden, ein klein wenig. Gut so? Geht so.
Mit ihrer Albumankündigung Ende Mai haben Sigur Ros manchen überrascht. Auf dem Cover machen sie einen auf lebenslustige Hippies und auch der erste Song „Gobbledigook“ erweckte den Eindruck, dass Sigur Ros genug von epischen Balladen haben. Bange Fragen: Wird das neue Album eines für diejenigen, die Sigur Ros bisher nicht leiden konnten? Suchen Sigur Ros ihr Seelenheil in der Popmusik? Haben Sigur Ros ihre Mojo verloren?
Das Album „með suð í eyrum við spilum endalaust“ (EMI), seit heute steht es in den Läden, kann die Zweifel nicht gänzlich beiseite wischen. Diejenigen, die fröhliche Isländer erwartet haben, werden zwar enttäuscht. Diejenigen, die auf eine weitere episch-melancholische Platte gewartet haben, aber ebenfalls. Sigur Ros gehen ab durch die Mitte – und mitten ins Mittelmass.
Was dem Album am meisten fehlt: die Spannungsbögen (ein Redaktionskollege sagt’s so: das Album ist todlangweilig). Die meisten Songs plätschern gefällig daher, ohne den markanten Gesang von Jonsi Birgisson wären sie austauschbar. Gewiss: Wäre es das Debutalbum von Sigur Ros, würde man sie für ihren speziellen Sound loben. Aber wer die bisherigen Alben von Sigur Ros kennt, muss enttäuscht sein.
Dennoch haben Sigur Ros einige Highlights auf das Album gepackt. Es sind die beiden Epen in Überlänge, „Festival“ und „Ara Batur“. Hier gelingt es den Isländern, wechselweise Spannung aufzubauen und zu entladen. Hier lösen sie Emotionen aus, wogegen die poppig angehauchten Songs seltsam kalt lassen. Die Melancholie steht ihnen einfach besser. Die melancholischen Sigur Ros ragen in den Himmel. Die fröhlichen Sigur Ros liegen im Gras und sind just another pop-band.
16 Reaktionen
- 78s - Das Magazin für bessere Musik » Blog Archive » So sieht das neue Oasis-Cover aus
- » Und ewig spielen die Hippies: Zwei Filme von Sigur Ros | 78s - Das Magazin für bessere Musik
78s wird seit Juni 2015 nicht mehr redaktionell betreut. Die Kommentarfunktion ist deswegen deaktiviert.
15:03 Uhr, 20.6.2008, Link
Was für mich deutlich herausragt: mit ihren ersten beiden Platten konnten sie Klangbilder kreieren und den Hörer in ein Märchenland entführen. Musikjournalisten von Gratiszeitungen sagen dem am liebsten „ätherisch“ und meinen damit, dass die Musik mäandert, Klangteppiche bildet und ein grosses magisches Universum bildet, auch wenn ätherisch eher auf die Flüchtigkeit von einer Substanz hinweist und gemeinhin weniger dicht als Wasser sind, womit Sigur Ros kein Kompliment gemacht wird. Aber genau dort liegt der Punkt: Sigur Ros‘ Musik verflüchtigt sich, bleibt nicht hängen, hat keinerlei Nachwirkung, ist ziemlich dünn geworden. Mit diesem Album und dem letzten vermögen sie nur noch anzudeuten, wie das schöne Märchenland aussehen könnte, von Entführen keine Spur mehr. Sigur Ros haben eindeutig ihre Magie verloren und sind in der Tat „todlangweilig geworden“ (nein, früher war nicht alles besser, aber bei Sigur Ros schon). Respektive: Zuletzt sind sie einfach bloss noch eine normale Indie-Folk-Band, da hat David total recht!
15:24 Uhr, 20.6.2008, Link
Vielleicht meinen Journalisten von Gratiszeitungen mit ätherisch gerade, dass die Musik schwebt, flüchtig ist weil sie nicht fassbar ist? Aber gut, dass Matthias weiss, was andere Journalisten denken, wenn sie etwas schreiben.
15:54 Uhr, 20.6.2008, Link
@schnaebi
Und Mathias weiss noch viel mehr. Das glaubst du gar nicht.
16:21 Uhr, 20.6.2008, Link
Doch, glaub ich gerne. Ich glaub sogar, der weiss alles.
16:27 Uhr, 20.6.2008, Link
ich bin terminator
10:25 Uhr, 22.6.2008, Link
Ich komme direkt vom Southside, habe gesehen, wie Sigur Ros gar Radiohead an die Wand spielten – und ich bin überhaupt kein Hardcore Sigur Ros Fanatiker) – habe gesehen und gehört, wie grossartig die neuen Songs live einfahren und dann komme ich nach Hause und lese diesen Bericht und muss fast kotzen!
10:30 Uhr, 22.6.2008, Link
Tja, das ist das Privileg eines, der die neuen Songs schon live gehört hat. Ich spreche hier nur vom Album und da überzeugen sie mich nur mässig.
17:31 Uhr, 22.6.2008, Link
Album mehrmals durchgehört und finde den Text nun noch weniger nachvollziehbar. Finde das Album (v.a. auch in der Sigur Ros Releasedramartugie betrachtet) sehr mutig und bemerkenswert.
18:27 Uhr, 22.6.2008, Link
Fair enough. Über Geschmack läss sich nicht streiten, das ist doch das schöne daran. Und auch ich freue mich trotzdem riesig, sie im Volkshaus zu sehen.
20:25 Uhr, 22.6.2008, Link
Eine erneute musikalische Revolution á la „Agaetis Byrjun“ konnte nun wirklich nicht erwartet werden. Sigur Ros haben ihren Stil ganz einfach gefunden, und so lange dieser so wundervoll klingt, wieso sollte das geändert werden?
20:32 Uhr, 22.6.2008, Link
@Fabio
Meiner Meinung nach haben sie ja genau dies getan, ihren Stil geändert. Mal abgesehen von den beiden im Text genannten Highlights.
10:52 Uhr, 27.6.2008, Link
Was hier vollkommen ignoriert wird, ist dieses grossartige Video von Ryan Mcginley.
Hausfotograf beim Vice Mag – hier zb das Cover der allerersten Ausgabe in Deutschland:
http://www.viceland.com/germany/v1n1/htdocs/index.php?country=germany
20:11 Uhr, 28.6.2008, Link
„sigur ros dramaturgie“ – was für eine unwort-konstellation. ich bin ja auch kein radiohead fan, aber herr yorke und co. spielen sie garantiert nicht an die wand. ich fand schon das zweite album sehr einfältig und voller wiederholungen vom ersten. beim ersten hab ich sie auch am southside gesehen. das publikum schlief am boden ein. und jetzt werden sie langsam grösser – ich bin ja gespannt wie das herauskommt. nächstes mal vielleicht beim art-on-ice im hallenstadion (mit cüpli usw….)?
ps: ihr vom 78s, bei mir funktioniert irgendwie der link zu disco doom nicht…(?)
00:27 Uhr, 30.6.2008, Link
@eugen
mit dem ersten album „von“, welches nur in island veröffentlich wurde, spielten sigur ros sm southside? das hätte ich gerne gesehen.