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Tobias Lilja und die Kunst der kontrollierten Verzweiflung

Von    |   26. Mai 2008   |   1 Kommentar

Skandinavier scheinen besonders bedürftig, sich mit depressiv anmutender Musik vor Depressionen zu schützen. Auch der Schwede Tobias Lilja erforscht der Psyche dunkelste Winkel und entdeckt raue, beklemmend schöne Klänge.

lilja.jpgFrüh hängt der in Malmö lebende Lilja die Trompete an den Nagel und widmet sich nach ersten Schritten am Amiga seines Bruders ganz dem Schöpfungsprozess elektronischer Musik. Im Harmonium findet er bald eine neue Quelle, um der kalten Elektronik eine dezent menschlich-warme Note zu verleihen. 2003 erscheint seine erste LP „Ex-Leper“, in der er die Eindrücke seines damaligen, dem Zerfall geweihten Wohnortes verarbeitet, nachdem ein Grossteil der Einwohner bei der Schliessung eines Grossunternehmens entlassen worden war.

Auf dem formidablen Nachfolger „Time is on my side“ (2007) setzt er sich mit der Flüchtigkeit der Zeit und der vermeintlichen Folgenschwere von Entscheidungen auseinander. Hierfür bringt er auch unkonventionell seine Stimme und Lyrics ins Spiel. Als Ausdruck kontrollierter Verzweiflung lassen sie sich wie ein hoffnungsvolles, das Schicksal akzeptierendes Irrlicht von aus der Tiefe seelischer Abgründe emporfegenden Eisböen erfassen und über die monumentale, harsche Ödnis melancholischer Einsamkeit forttragen.

Liljas Zweitwerk lässt sich zwar nicht von der Aufmachung, aber Stimmung her durchaus mit der expressiven Introvertiertheit eines David Sylvian vergleichen. Einige eigene Songs hat er für sein hörenswertes Mixtape (downloadbar via odeo) ausgewählt, das vielleicht auch manchem Mitteleuropäer (zumindest vorläufig) den Nervendoktor ersparen hilft.

Was in etwa mit „unkonventionell“ gemeint ist, wäre hier ersichtlich:

[youtube A0lXeTe-mZg]

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