Deutschland zwischen „Cool Germania“ und „Aber hier leben nein danke“
Von Michael Fässler | 13. Mai 2008 | 27 Kommentare
Guter Fussball ist wie gute Musik: leidenschaftlich, druckvoll und treffsicher. 78s präsentiert die Teilnehmerländer der Fussball-Europameisterschaft von ihrer musikalischen Seite. Heute: Deutschland.
In diesem Rahmen einen umfassenden Überblick über das Musikland Deutschland abliefern zu wollen, erscheint beinahe unmöglich. Dank Bravo, Spex und MTV weiss manch einer von uns wohl mehr über die deutsche Musikszene als über die heimische. Nicht nur bei uns ist deutsche Musik bekannt und geschätzt, ab und zu schafft sie den Sprung auch ins nichtdeutschsprachige Ausland, ohne sich dabei zwingend als globalisierte, international austauschbare Band anzubiedern, wie das zurzeit Tokio Hotel tun. Nicht zuletzt gerade weil sie „typisch deutsch“ anmuten, schafften es Kraftwerk oder Rammstein zu Weltruhm.
Aber was um Himmels Willen ist denn eigentlich „typisch deutsch“? Und: Was haben Fragen rund um die nationale Identität überhaupt in der Musik verloren? Darf man stolz sein auf Schwarz-Rot-Gold? Wer solche Fragen über unseren nördlichen Nachbar beantworten will, muss sich gefasst machen, damit gleich eine Debatte über Nationalismus, Deutschtümelei und Heimatduseligkeit loszutreten. „Wir sind wir„-Parolen geraten immer wieder in Kritik, und in der Hitze des Gefechts wird schon einmal eine kleine, dumme Popband in die braune Ecke gestellt.
Die Debatte über Nationalismus, Deutschtümelei und Heimatduseligkeit erreichte vor drei Jahren mit der Aktion „I can’t relax in Deutschland“ ihren vorläufigen Höhenpunkt. Sie wurde von einflussreichen Pop-Denkern wie Jochen Distelmeyer (Blumfeld) oder Dirk von Lowtzow (Tocotronic) mitgetragen. Heftig abgelehnt wurde gleichzeitig eine von verschiedenen Seiten geforderte Radioquote für heimische Musik.
Dass einige derselben Bands, die sich explizit gegen Nationalgefühle in der Musik ausgesprochen haben, sich mithilfe des Goethe-Instituts rund um den Globus aktiv bei der Verbreitung deutscher Musik beteiligen (Z.B. Mini-Tour von Tocotronic in Sibirien) steht auf einem anderen Blatt. Mittlerweile hat sich die Diskussion rund um Nationalismus in der deutschen Popmusik wieder etwas abgekühlt, und man kann sich wieder relaxen in Deutschland. Und sich wieder auf die Musik konzentrieren.
Gute deutsche Musik, typisch undeutsch:
Get Well Soon – I sold my Hands for Food so please feed me
[audio:http://www.fileden.com/files/2008/2/12/1755332/08%20-%20I%20Sold%20My%20Hands%20For%20Food%20So%20Please%20Feed%20Me.mp3]
The Notwist – Boneless
[audio:http://www.hotlinkfiles.com/files/1305212_8shiz/09-the_notwist-boneless.mp3]
Isolée – Schrapnell
[audio:http://www.moteldemoka.com/moka/schrapnell.mp3]
Bisher erschienen in der 78s-Euro-08-Serie:
> Schweden
> Holland
> Russland
> Griechenland
> Spanien
> Rumänien
> Türkei
> Österreich
> Portugal
Die Illustration stammt aus dem Euro 08-Sammelalbum des Tschuttiheftli, dem einzig wahren Fussballbildli-Album: > Mehr Infos.