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Postpunk zur Notwehr

Von    |   22. Januar 2008   |   4 Kommentare

51c7k00oogl_ss500_.jpgBekanntlich feierte die Tante Punk letztes Jahr den 30. Geburtstag (was natürlich immer schon ein falsche Zeitrechnung darstellte). 1978 jedenfalls ging bereits der Ofen aus, und es folgte eine weitaus interessantere Musikrichtung: Postpunk.

Literarisch hat nun Musikjournalist Simon Reynolds dieser Bewegung ein Denkmal gesetzt. Pralle 580 Seiten ist sein Buch „Rip it up and start again“ (Hannibal Verlag) dick geworden – einerseits kann man damit unerwünschte Besucher ausknocken, andererseits bestätigt nur schon der immense Umfang die Relevanz des Themas. Reynolds gibt sich hier im positiven Sinne ausschweifend: Neben ausführlichen Bandbiografien untersucht er die Entstehung der Musikrichtung, deren Antrieb und wie sie schlussendlich im klebrigen Sumpf der New-Wave und Pop Achtziger ihren Garaus fand. Bevor es aber soweit kam, experimentierten Gruppen wie The Pop Group, Cabaret Voltaire, Pere Ubu und Public Image Ltd. mit Reggae, Disco und Blackmusic. Dass das nicht immer dancefloor-füllend klang, war dem allgemeinen Motto „mach was du willst“ zuzuschreiben. Gang of Four waren dann eine der Bands, die den Sound zugänglicher gestalteten: Plötzlich konnte das Tanzbein auch zu marxistischen Ansichten geschwungen werden.

simonreynolds3.jpgEntstanden ist „Rip it up and start again“ ursprünglich wegen Reynolds‘ Sinn für Gerechtigkeit: „Über Punk wurden Hunderte von Bücher geschrieben, aber niemand kümmerte sich so richtig um die daraus resultierende, neue Strömung“, erklärte er an einer Lesung. Über sieben Jahre hinweg rechechierte er sich einen Wolf, doch die Mühe hat sich gelohnt: Umfassender und kompetenter hätte das Thema nicht angegangen werden können. Kommt dazu, dass Postpunk mit Bands wie Franz Ferdinand oder Bloc Party ein grosses Revival erlebt hat, und so mehr denn je präsent ist.

Wer noch mehr Infos über Reynolds Arbeit haben will, der bekommt sie heute in Hamburg im Übel & Gefährlich oder morgen im Festsaal Kreuzberg. Kleiner Rat: Ein Sitzkissen mitbringen, es könnte ein langer Abend werden.

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4 Reaktionen

  1. Bloc Party » Postpunk zur Notwehr
  1. #1 Dando

    23:44 Uhr, 22.1.2008, Link

    Er war letzten Samstag in Freiburg (D) und soll grossartig gewesen sein. Ausverkauft wars übrigens auch.

  2. #2 TheDJSucks

    15:00 Uhr, 25.1.2008, Link

    Ich bin im Besitz der dazugehörigen Compilation und muss einmal mehr feststellen: Postpunk ist momentan in aller Munde. Die Definition jedoch, um was es sich dabei handelt, unterscheidet sich noch immer stark voneinander. Gerade bei dieser Compilation wird alles Mögliche, von experimentell bis langweilig, in die „Postpunk“-Schublade gedrängt – wie scheinbar auch im Buch. Ob die darauf vertretenen Interpreten das wohl auch so sehen?

    Ausserdem ist das präsentierte Song-Material musikalisch längst nicht über jeden Zweifel erhaben. Sprich: Der Profilierungsdrang des Autors („Ich habe imfall einige ultrarare B-Seiten von Band XY und bin deshalb glaubwürdig – scheissegal ob der Song nun wirklich gut ist oder nicht“) nimmt allzuoft überhand.

  3. #3 Uas

    18:48 Uhr, 28.1.2008, Link

    TheDJSucks: Ich gebe dir da absolut Recht. Bei vielen Songs greift der Begriff Postpunk – so wie wir ihn kennen – nicht. Postpunk war wohl eher ein Sammelsurium für (Gitarren)-Bands, die einfach sonst keinen Übertitel hatten. Trotzdem ist es a) sehr interessant, was so alles an differenzierter Musique anfangs der 80er herumfleuchte, und b) eine Heidenarbeit, all diese Bands mal zu biografieren. Ich denke, Reynolds wollte einfach nichts vergessen und jeden Ton, der damals irgendwie eine Rolle zur Stilbildung spielte, im Buch festhalten.

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