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Fact or fiction?

Von    |   16. Oktober 2007   |   3 Kommentare

Fiction: Karen O gründet mit zwei musikalisch versierten Gurus die Sekte The Modern Tribe. Die Rituale, die der Zirkel in Vollmondnächten zelebriert, haben die totale Selbstentäusserung durch Musik zum Ziel. Stimme und Instrumente stellen sich in den Dienst eines wogenden Schwalls von Klängen, der die Sektenführer und ihre Jünger zu willenlosen Sklaven des Lord of the Dance macht. Zu Beginn der Zeremonie verfällt die Gemeinde in eine entrückte Trance, dann in rauschhaften Taumel, um schliesslich in unbändiger Ekstase Sex mit allen möglichen Instrumenten zu haben, die sich im Tempel der Sekte finden. Eine Orgie mit Gitarrenhälsen, Orgelpfeiffen, Drumsticks und Saxophontrichtern nimmt ihren Lauf. Nach elf Akten und 45 Minuten dionysischer Verwilderung endet die Zeremonie in brüderlichen Umarmungen. „I’ll be right beside you“, versichert die Hohepriesterin ihren Jüngern.

Fact: Celebration waren mit TV On The Radio auf Tour und ihr soeben erschienenes Album „The Modern Tribe“ (4AD/Musikvertrieb) wurde vom TV On The Radio-Multiinstrumentalisten Dave Sitek produziert, der auch schon für die Yeah Yeah Yeahs hinter den Reglern sass, von denen wiederum Nick Zinner auf dem Zweitling von Celebration gastiert. Tatsächlich klingt „The Modern Tribe“ am ehesten wie die Schnittmenge der beiden genannten Bands. Celebration sind so unvoraussehbar wie TV On The Radio und verfügen über dieselbe hymnische Wucht, wie die Yeah Yeah Yeahs. Aufgrund der schamanischen Tribal-Komponente könnte man das Trio aus Baltimore auch als eine gemässigte Variante von Gang Gang Dance bezeichnen. Dennoch loten Celebration die Grenzen der Popmusik auf ihre ureigene Art aus. Ihre psychedelischen Weltfluchten kommen mal als ruhiger Seelenbalsam, mal als tanzbarer Exotismus, mal als enthemmter Freakout daher. Ist „The Modern Tribe“ nur ein neues Album oder am Ende gar ein neues Testament?

Celebration – „Heartbreak“
[audio:http://www.box.net/shared/static/q3nygvuqug.mp3]

3 Reaktionen

  1. #1 Ivana

    17:16 Uhr, 16.10.2007, Link

    Werter Ralph, wo bleibt der Hinweis auf die frühere Band des Trios, Love Life? Die drei Mitglieder von Celebration waren die Masterminds von Love Life und Überbleibsel ebendieses Früheren sind auf „The Modern Tribe“ SEHR gut herauszuhören. Ausserdem hat David Sitek damals schon die Alben von Love Life produziert (zumindest eines). Mitnichten ein neues Testament also, sondern ziemlich viel beim alten geblieben.

  2. #2 Ralph Hofbauer

    18:55 Uhr, 16.10.2007, Link

    werte ivana, ich gebe zu nur die erste celebration-platte zu kennen und nichts über die vorgeschichte der band zu wissen. trotzdem find ich „the modern tribe“ verglichen mit dem alttestamentarisch-verworrenen debut eben schon ein neues testament, weil die drei hier viel mehr auf den punkt kommen. ist einfach eine über-platte und irgendwie auch eine siouxsie and the banshees-wiederauferstehung, die ja gewissermassen am anfang des neuen psychedelischen testaments stehen, das celebration nun fortschreiben. trotzdem werde ich der love life-geschichte gerne mal nachgehen, danke für den hinweis. waren die denn schon sooo gut?

  3. #3 Ivana

    00:18 Uhr, 17.10.2007, Link

    Ja, Ralph, mindestens *sooooooo* gut! Mindestens ;)
    Im Ernst: Love Life waren wirklich sehr toll. Einfach ein wenig verstörend. Aber macht nichts.

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