Radiohead: Das Verkaufsmodell funktioniert
Von David Bauer | 4. Oktober 2007 | 6 Kommentare
Die Rechnung scheint für Radiohead aufzugehen. Die Band bietet ihr neues Album, das am 10.10. als Download erscheint, zum user-generated-price an. Der Konsument bestimmt, wie viel er für das Album bezahlen will. Das hat der Band grosse Medienpräsenz (und gigantisches Blog-Echo) gebracht – aber nicht nur dies: Auch finanziell scheint alles im Lot. BBC Online zitiert den Sprecher der Band, Murray Chalmers:
„Although the idea is that you can decide what you want to pay, most people are deciding on a normal retail price with very few trying to buy it for a penny.“
Überrascht das? Mich eigentlich nicht. Warum ist das wohl so?
1. Erklärung: Radiohead ist Radiohead. Die Rechnung hätte wohl ganz anders ausgesehen, hätte eine andere Band das Experiment gewagt. Bei eher unbekannten Bands hätten die meisten die Chance genutzt, für das Album (das sie ja notabene noch nicht kennen) nur so viel zu bezahlen, wie es ihnen wert ist (also weniger als der übliche Verkaufspreis). Bei grossen Kommerzbands und Künstlern andererseits wäre die Hemmschwelle geringer gewesen, ihnen weniger Geld in den Rachen zu werfen, als sie sonst bekommen. Bei Bands mit grossem Label im Hintergrund sowieso. Radiohead sind anders. Erstens bekommt keine andere Band solche Vorschusslorbeeren zugestanden. Zweitens geniesst die Band Indie-Respekt wie kaum eine andere Band dieser Grössenordnung. Irgendwie getraut man sich nicht, Radiohead mit einem tiefen Preis zu geringschätzen.
2. Erklärung: Gewöhnungssache. Viele Radiohead-Fans kommen aus einer Generation, die zwar vollkommen Internet-affin ist, die aber nicht komplett mit dem Internet gross geworden ist. Radiohead-Alben hat man auf Cd oder Vinyl gekauft. Darum ist die Möglichkeit, den Preis für den Download selber zu wählen, eine Überforderung. Und Überforderung führt dazu, dass man sich an Gewohntem orientiert. Sprich: Man bezahlt den Preis, den man als üblichen kennt.
3. Erklärung: Pfadfinder verkaufen Kuchen. Wenn Pfadfinder Kuchen verkaufen, kostet der Kuchen nicht 2 Franken, sondern der Käufer bestimmt den Preis. Mit der Folge, dass viele Leute mehr bezahlen. Zwar muss man beim Eintippen des Preises für die Radiohead-Platte keinem 12-Jährigen Pfadfinder ins Gesicht schauen, trotzdem dürfte der Effekt da sein. Motto: Ein echter Radiohead-Connaisseur weiss die Band mehr zu schätzen als der gemeine Pöbel (aka Modefans) und bezahlt deshalb mehr als üblich. So werden diejenigen ausgeglichen, die sich die Chance nicht nehmen lassen, ein Album legal für einen Spotpreis zu erhalten.
6 Reaktionen
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11:07 Uhr, 4.10.2007, Link
Dazu kommt, dass man Radiohead viel mehr Geld gibt, wenn man den normalen Preis bezahlt, den man normalerweise vor allem der Plattenfirma bezahlt hätte.
11:40 Uhr, 4.10.2007, Link
vollkommen richtig. wahrscheinlich lohnt sich diese aktion für radiohead auch finanziell in einem ordentlichen ausmass…
12:06 Uhr, 4.10.2007, Link
ganz sicher lohnt sich das finanziell! da fliessen jetzt millionen in die kasse, damit ist auch die produktion der discbox bereits vorfinanziert. sehr clever, aber eben nur für eine band der radiohead’schen grösse praktikabel….
12:49 Uhr, 4.10.2007, Link
die discbox finanziert sich mit einem verkaufspreis von 40GBP wohl auch ganz gut selber. da kann der kunde wie in guten alten zeiten nämlich nichts mitbestimmen beim preis…
11:09 Uhr, 11.10.2007, Link
also bei 2. muss ich dir widersprechen. die oecs mit ihrem veralteten homo oeconomicus modell würden sagen, dass niemand bezahlt. ich denke, dass die meisten einfach ein bisschen bezahlen und ein grosser teil nix.