Neuheiten aus dem Paralleluniversum Constellation
Von Ralph Hofbauer | 25. September 2007 | 4 Kommentare
Das Schaffen von Constellation Records bringt Adornos Kulturpessimismus ins Wanken. Ein richtiges Leben im falschen scheint hier möglich: Mit ausufernder Musik und aufwändigem Artwork verweigert sich das kanadische Label erfolgreich den Fliessbandproduktionszwängen der Popmusik.
Mit Bands wie Godspeed You! Black Emperor und Do Make Say Think hat Constellation der Kapitalismuskritik in Montreal einen letzten Zufluchtsort geschaffen. Durch steigende Absatzzahlen begann sich das dezidiert anti-kapitalistische Label jedoch unweigerlich in Widersprüche zu verstricken: Boykottierte man anfänglich noch die Nutzung grosskapitalistischer Vertriebskanäle, verkauft man inzwischen doch über Amazon. Dass Constellation musikalisch nach wie vor keine Kompromisse eingeht, beweisen die beiden jüngsten Veröffentlichungen:
VIC CHESNUTT – „North Star Deserter“ (Irascible)
Vic Chesnutt zieht sein Publikum seit Beginn der 90er vom Rollstuhl aus in Bann. Nun hat der Songwriter erstmals mit Leuten aus dem Constellation-Umfeld zusammengearbeitet, entsprechend episch und symphonisch klingt das Resultat. Vic Chesnutt gelingt ein Balanceakt, den erst wenige gewagt haben: Zwischen 1Mann-Folk und 10Mann-Postrock balanciert er gekonnt über seelische Abgründe hinweg. Auch wenn man die Vorgängeralben nicht kennt, kann man sich sicher sein, dass dies Chesnutt’s beste Scheibe ist. Besser geht nicht.
HRSTA – „Ghosts Will Come And Kiss Our Eyes“
Hrsta sind neben Silver Mt. Zion das beständigste Erbe von Godspeed. Das ätherische Reverbgewummer von Mike Moya’s Gitarre hat den Constellation-Sound mitgeprägt, tritt aber auf dem dritten Hrsta-Album etwas in den Hintergrund und überlässt das Feld Orgel und Harmonium. Diese verleihen dem dionysischen Psych-Folk ein geisterhaftes Leuchten, das allerdings ebensowenig Licht ins bodenlose Dunkel bringen kann, wie das abschliessende Beach Boys-Cover „Holiday“. Über den wimmernden Gesang lässt sich streiten, die Sogwirkung dieser Musik ist unbestritten. Wer schon immer mal von einem schwarzen Loch verschluckt werden wollte – here you go.
4 Reaktionen
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00:15 Uhr, 26.9.2007, Link
Soeben bestätigt:
Vic Chesnutt live feat. Guy Picciotto und Mitglieder von Godspeed You Black Emperor und Silver Mt. Zion
8.11. Rote Fabrik, Zürich
9.11. Fri-Son, Fribourg
00:49 Uhr, 26.9.2007, Link
juhuu, was für gute neuigkeiten!
01:36 Uhr, 26.9.2007, Link
spadoinkle! und hrsta…?
11:52 Uhr, 26.9.2007, Link
Ist die rote fabrik überhaupt rollstuhlgängig?