Von einem Unding namens Jazz-Pop
Von Ralph Hofbauer | 14. November 2006 | 0 Kommentare
Neulich am jazznojazz: Eine Sängerin changiert mit ausdrucksstarker Stimme zwischen Katzenjammer und Engelszungen. „Das isch doch kei Jäzz, das isch e Zuemuetig“, murmelt das Publikum. Entrüstet verlassen viele ältere Zuschauer das Gratis-Konzert. Hätte Diana Krall gespielt, wär’s bestimmt nicht gratis gewesen, aber sie wären geblieben, nicht nur weil sie bezahlt haben, nein, weil sie die Darbeitung fantastisch gefunden hätten. Dabei degeneriert Vocal-Jazz doch gerade bei Diana Krall zum unerträglichen Kitsch: musikalischer Anspruch als Statussymbol und leeres Versprechen. Wie ich ihn verachte, diesen grausligen, diamantbesetzten Jazz-Pop, zu dem sich die amerikanische Oberschicht am Kaminfeuer in Seidenstoffe kuschelt! Egal. Worauf ich eigentlich hinaus will: Jazz-Pop könnte man auch nennen, was Madeleine Peyroux macht – und in diesem Fall könnte ich mich mit diesem Begriff fast schon versöhnen.
Peyroux bietet mit „Half The Perfect World“ (Universal/probehören) Seele statt 24 Karat. Ihr Timbre erinnert entfernt an Billie Holiday und vermeidet elegant, ehrlich und samtig übersteigerte Fortissimi. Doch da Peyroux nicht über den Rand des Jazz- und Blues-Lexikons hinausschaut, drohen ihre Songs bisweilen im Jazz-Klassizismus zu erstarren. Und dies bedeutet immer auch Kitsch, wie wir dank obigem Beispiel wissen. Wenn dann gar klebrige Easy-Listening-Sax-Solos aufgetischt werden, stellen sich für Momente leider doch noch die befürchteten Krall-Assoziationen ein, die auf Peyroux‘ bisherigen zwei Alben rarer waren. Ihrer Stimme und dem Charme von Songs wie „Blue Alert“ kann man trotzdem nur schwer wiederstehen.
Sollte die CD sich als Fehlkauf entpuppen, könnt ihr sie immer noch euren Eltern zu Weihnachten schenken. Diana Krall Norah Jones haben sie ja schon.
Madeleine Peyroux spielt am 5.12. im Kaufleuten.
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